Freie Gnade – ein Motiv für freies Geben

10 November, 2023

Kategorie: Erbauung

Thema: Gnade, Trost

Bibelbuch: 2. Thessalonicher

Freie Gnade – ein Motiv für freies Geben

»Er Selbst aber, unser Herr Jesus Christus, und unser Gott und Vater, der uns geliebt hat und uns einen ewigen Trost und eine gute Hoffnung gegeben hat durch Gnade, Er tröste eure Herzen und stärke euch in jedem guten Wort und Werk!«

Die Christen aus Thessalonich hatten in all ihren Verfolgungen und Bedrängnissen solch großen Glauben erwiesen, dass Paulus schrieb: »Sodass wir selbst uns im Hinblick auf euch rühmen in den Gemeinden Gottes wegen eures standhaften Ausharrens und eurer Glaubenstreue« (2.Thess. 1,4). Als hätten sie nicht schon von außen her genug Schwierigkeiten, erhoben sich auch noch in ihrer Mitte gewisse Lehrer, die hitzköpfig die Meinung vertraten, der Tag des Herrn stehe unmittelbar bevor. Das Kommen des Herrn ist die bedeutendste Hoffnung der wahren Gemeinde, und das Entstehen verkehrter Meinungen beweist, welch außergewöhnliche Macht der Irrtum besitzt, die Wahrheit zu vergiften und zu pervertieren, um damit unseren herrlichsten Trost völlig zu verdrehen und uns geistlich verwirren und beschweren zu können. 

So scheint es bei den Thessalonichern gewesen zu sein. Sie waren von geheimnisvollen Gerüchten durcheinandergebracht worden, die wahrscheinlich von den Zeloten unterstützt wurden und eine Fehlinterpretation der Wahrheiten waren, die der Apostel ihnen selbst in seinem ersten Brief mitgeteilt hatte. Es scheint, dass sie versucht waren, ihren normalen Lebensstil und sogar ihre Berufstätigkeit aufzugeben, weil die Welt angeblich schon so bald untergehen würde. Da diese Irrtümer unter den Gemeindemitgliedern Verwirrung auslösten, schrieb Paulus ihnen diesen zweiten Brief, um sie in der Wahrheit zu gründen und sie vor dem Bösen zu bewahren. Er selbst erkannte, wie äußerst wichtig es war, dass diese ehrbare Gemeinde Frieden habe und ihr kein Trost fehle, sowohl wegen ihrer harten Verfolgung als auch wegen ihrer internen Schwierigkeiten.

Wie wichtig es ist, dass Gläubige Trost empfangen

Wir dürfen nie meinen, es sei egal, ob wir zweifeln oder glauben, seufzen oder jubeln. Denn es macht sogar sehr viel aus. Jeder General weiß, dass weder die Anzahl der Soldaten noch deren Ausbildung Sieg in der Schlacht garantiert, wenn es ihnen innerlich nicht gut geht. Tapferkeit ist für Heldenmut von grundlegender Bedeutung. Das Wort des Herrn an Sein Volk lautet immer: »Sei stark und mutig!« (Jos. 1,6). Er will, dass diejenigen, die Sein herrliches Evangelium kennen, ein gesegnetes Leben führen, sodass sie Ihm besser dienen können. Sagt nicht Sein Wort: »Freut euch im Herrn allezeit; abermals sage ich: Freut euch!« (Phil. 4,4)? Hat Er uns nicht den Tröster geschenkt, dass Er uns beständig tröste und ermutige? Gläubige, die mit Frieden und Freude erfüllt sind, bringen Seinem Namen viel mehr Ehre als solche, die niedergeschlagen und mutlos sind. »Die Freude am HERRN ist eure Stärke!« (Neh. 8,10), betonte Esra.

Der Herr möchte, dass wir guten Mutes sind. Das ergibt sich allein schon daraus, dass die Verse in 2. Thessalonicher 2,16-17 überhaupt niedergeschrieben wurden. Es ist der Wunsch eines inspirierten Mannes, mit dem er sich bittend auf den Herrn bezieht. Paulus schrieb dies unter der Leitung des Heiligen Geistes nieder: »Er Selbst aber, unser Herr Jesus Christus, und unser Gott und Vater, … tröste eure Herzen und stärke euch in jedem guten Wort und Werk.« Gott will, dass alle Christen den Trost wertschätzen, so wie er von dem wertgeschätzt wurde, der die Herde Christi sehr liebte. Das gering zu achten, was der erfahrene Apostel der Heiden hochhielt, wäre wirklich überheblich von uns.

Paulus drückt diesen Wunsch in einer tiefernsten Form aus, denn er schreibt: »Er Selbst aber, unser Herr Jesus Christus«. War die besondere Betonung der Person Christi mit den Worten »Er Selbst aber« nötig? Paulus legt einfach großen Wert auf den Wunsch, dass der Herr Jesus in Seiner eigenen Person und durch Seine eigene Kraft den Thessalonichern Trost geben möge. Handelt es sich dabei nicht um etwas sehr Gewichtiges, welches das Herz von Paulus so voller Ehrfurcht bitten ließ? Und damit nicht genug, denn er fährt fort: »… und unser Gott und Vater«. Es ist, als erfordere ihr Bedürfnis nach Ruhe (Kap. 1,7), dass Gott der Vater Selbst das Werk ausführe, Sein Volk zu trösten. Kein anderer konnte ihnen den Trost spenden, den sie brauchten, als Gott allein.

Dies ist nicht die einzige Stelle in dem Brief des Apostels, an der dieser Wunsch mit gleicher Kraft ausgedrückt wird: »Er aber, der Herr des Friedens, gebe euch den Frieden allezeit und auf alle Weise!« (2.Thess. 3,16). Ich weiß nicht, wie man in einen einzigen Satz einen stärkeren Wunsch hineinpressen könnte als den, dass sie Frieden erhalten sollten. 

Hier wird der Herr als »Herr des Friedens« bezeichnet, was all Seine göttliche Majestät und friedensstiftende Macht darstellt. Von dem Herrn des Friedens Selbst wird bittend erwünscht, Frieden zu geben, und das »allezeit«. Frieden in der Kühle des Abends ist nicht genug; der Friede wird zu jeder Tageszeit benötigt, an jedem Tag jeden Jahres und in jeder Lebensperiode, an jedem Ort und unter allen Umständen. Diesem Wunsch wird mit umfassenden Worten Ausdruck verliehen: »… gebe euch den Frieden allezeit und auf alle Weise«. Wenn nicht so, dann anders, aber auf irgendeine Weise sollt ihr euch an dem Frieden des Herrn erfreuen, den nur Er Selbst schaffen kann. 

Solch ein Segenswunsch wäre nicht in die Heilige Schrift eingegangen, bestände nicht äußerste Wichtigkeit darin, uns an diesem Herzensfrieden zu erfreuen.

Ein kleiner Hinweis von Paulus gibt den Grund für diese außerordentliche Notwendigkeit. Denn mit den Worten »tröste eure Herzen« lässt er uns erkennen, dass dies ein lebenswichtiger Segen ist, weil er das Herz des Christen beeinflusst. Es ist wunderbar, einen gesunden Leib zu haben; aber was bedeutet das, verglichen mit einem gesunden Geist und Herzen? 

Unter einer Krankheit des Herzens leidet der ganze Mensch. Die ganze Menschheit hängt vom Zustand ihres Herzens ab; umso notwendiger ist also der Trost und umso wertvoller die Aufforderung: »Sei stark, und dein Herz fasse Mut …!« (Ps. 27,14). Es ist ein Unglück, wenn die ursprüngliche Antriebskraft zu einer Tat schwindet und der Mut sinkt. »Ein männlicher Mut erträgt sein Leiden, wer aber kann einen niedergeschlagenen Geist aufrichten?« (Spr. 18,14). Wenn jemand im Geist bedrückt ist und den Mut sinken lässt, dringt das Wasser ein, bis an die Seele (Ps. 69,2). Deshalb sagte unser Herr zu Seinen Jüngern: »Euer Herz erschrecke nicht! Glaubt an Gott und glaubt an Mich!« (Joh. 14,1). Nur der Glaube hält das Herz aufrecht und macht es dem Menschen möglich, Druck auszuhalten. 

Der Kummer eines ungetrösteten Herzens beeinflusst die Taten des Menschen und vermindert seine ganze Lebenskraft. »Darum ›richtet wieder auf die schlaff gewordenen Hände und die erlahmten Knie‹« (Hebr. 12,12), indem ihr den Verzagten sagt: »Seid stark und mutig! Fürchtet euch nicht und erschreckt nicht …!« (2.Chr. 32,7). Bitte darum, dass sich dein Herz in Gott freuen möge; denn dann können die Unebenheiten des Weges und die Unwetter in den Hintergrund treten.

Diese notwendige Herzenszuversicht beugt auch der Ungeduld sowie anderen Übeln vor. Möglicherweise war es der Mangel an Trost, der bestimmte Thessalonicher dazu verführte, zu verkündigen, das Kommen ihres Herrn stehe schon unmittelbar bevor. Vielleicht hat ihre Ungeduld diesen Wunsch geweckt, und sie hatten es deshalb behauptet. Wenn Menschen den gegenwärtigen Trost der einfachen Lehren des Evangeliums verlieren, ist es gut möglich, dass sie anfangen zu spekulieren und Behauptungen aufzustellen, besonders bezüglich des Kommens des Herrn. Um einer fieberhaften prophetischen Erwartungshaltung willen, zu der das Wort Gottes keineswegs ermutigt, haben sie das geduldige Warten aufgegeben, das unsere Pflicht ist.

Beachte, dass der Apostel ihnen in Kapitel 3 sagt: »Der Herr aber lenke eure Herzen zu der Liebe Gottes und zum standhaften Ausharren des Christus!« (V. 5). Niemand wartet geduldig, wenn er niedergeschlagen und bedrückt ist. Wenn alles in Aufruhr ist, unsere Hoffnung schwächer wird, unsere Gemeinschaft zerbrochen ist und unser Eifer auf Sparflamme brennt, dann öffnen wir uns für alles, was den Kampf scheinbar beendet und uns befähigt, weitere Anstrengungen zu vermeiden. Viele rufen aus Trägheit und Mutlosigkeit: »Warum kommt sein Streitwagen so lange nicht?« (Ri. 5,28). Du denkst, die Zeit und das Leben zieht sich zu lange hinaus, denn du bist dort nicht glücklich, wo dich der Herr hingestellt hat, und wartest nur darauf, endlich vom Arbeitsfeld in die Ruhekammer eilen zu können. Aber das geht nicht!

Wir brauchen Trost, damit wir geduldig weiterarbeiten können, wie lange auch immer das Leben dauert und sich die Zeit bis zum Kommen unseres Herrn dahinziehen mag. Wenn wir ungeduldig werden, stürzen wir uns vielleicht in fanatische Handlungen, wie damals die Thessalonicher. Im Glauben, dass der Herr jetzt käme, verließen sie ihre täglichen Verantwortlichkeiten und wurden zu von Haus zu Haus ziehenden Wichtigtuern, die auf Kosten anderer Leute lebten, welche nicht vorzugeben versuchten, ganz so geistlich zu sein. Sie hingegen hatten praktisch ihren Blick zu den Sternen gewandt, indem sie mit offenem Mund und zum Himmel gerichteten Augen die Wiederkunft des Herrn erwarteten und dabei große Gefahr liefen, in eine Grube zu fallen. Paulus gebot ihnen deshalb, zu arbeiten und ihr eigenes Brot zu verdienen. Wenn sie das hingegen unterließen, sollten die anderen keine Gemeinschaft mehr mit ihnen pflegen (2.Thess. 3,12.14).

Wenn du den Tag des Herrn ungeduldig erwartest, dann bete ich darum, dass dein Herz getröstet und beruhigt werde. Geh deiner täglichen Arbeit nach, als käme Christus noch lange nicht; denn wenn Er dann kommt, wirst du in deiner Arbeit stehend, zu der du berufen bist, desto vorbereiteter weggenommen, um Ihm zu begegnen. Auch dann, wenn ich wüsste, dass der Herr morgen käme, würde ich heute meinen gewöhnlichen Pflichten nachgehen und sie nicht vernachlässigen, indem ich am Fenster stehe und nach dem Wunder Seiner Wiederkunft Ausschau halte. Ob der Meister morgen oder in tausend Jahren kommt – du verhältst dich immer am besten, wenn du in der Furcht des Herrn und um Seines Namens willen deiner Berufung folgst. 

Das Wissen darum, dass Er vielleicht bald kommen und uns an der Arbeit finden werde, sollte uns dazu bringen, diese umso besser auszurichten; aber wir dürfen unsere Pflicht nicht unter dem Vorwand Seiner baldigen Erscheinung vernachlässigen. Sei dir darüber im Klaren: Wenn dein Herz nicht bei Christus ist, wirst du nicht gewissenhaft mit deiner Arbeit fortfahren. Du wirst dieser und jener Neuigkeit und Idee nachlaufen, wenn deine Seele nicht in Christus ruht. Darum verstehen wir, warum Paulus in seinem Wunsch für die Thessalonicher so besorgt war.

Ich bin sicher, dass dieser Trost zusätzlich äußerst erstrebenswert ist, denn er bringt Frucht hervor. Dies bedeutet noch mehr als ein zarter Hinweis des Apostels: »Er tröste eure Herzen und stärke euch in allem guten Wort und Werk.« Wenn wir nicht glücklich sind im Herrn, dann geben wir uns nicht von Herzen zu Seinem Dienst hin. Wir werden ungeduldig und benötigen dann die nachfolgende Ermahnung: »Ihr aber, Brüder, werdet nicht müde, Gutes zu tun!« (2.Thess. 3,13). 

Wenn wir wissen, dass wir zu Jesus gehören, dass uns alles zum Besten dient (Röm. 8,28) und dass aufgrund Seines unerschütterlichen Bundes die ewige Herrlichkeit unser ist, dann bewegt uns die Dankbarkeit zu völliger Hingabe, denn die Liebe des Christus drängt uns (2.Kor. 5,14). Zweifel und Ängste halten uns vom Werk des Meisters ab; aber wenn Er uns Ruhe schenkt, nehmen wir Sein Joch fröhlich auf uns und finden darin noch mehr Ruhe für unsere Seelen (Mt. 11,29-30). Wenn unser Herz singt, dann rühren sich unsere Hände, und wir können gar nicht genug für unseren Herrn und Erlöser tun. So stehen wir fest in unserer Arbeit und tun sie gern, so lange, bis Der kommt, der sagen wird: »Recht so, du guter und treuer Knecht! … geh ein zur Freude deines Herrn!« (Mt. 25,23).

Alles läuft darauf hinaus. Wir, die wir von Natur aus mutlos sind, dürfen keinen depressiven Gedanken Raum geben. Wir müssen zu Gott rufen, dass Er uns durch den göttlichen Tröster aufhilft, und müssen danach streben, fröhliche Christen zu sein. Wir haben eine Fülle von Gründen zum Fröhlichsein, denn Er Selbst, der Vater, hat uns lieb und hat uns einen ewigen Trost gegeben in Jesus Christus (Joh. 16,27; 2.Thess. 2,16). Wir wollen nicht so unklug und undankbar sein, diese Tröstungen des Geistes zu missachten. Wenn die Quelle so frei am Fließen ist, warum sollten wir dann durstig sein? 

Wenn wir mit bedrückter Miene herumlaufen, können wir die Schwachen in der Familie Gottes belasten und den Bazillus der Depression verbreiten. Wenn es sein muss, dann tragen wir ein Trauergewand um die Lenden; aber wir wollen damit nicht jedem vor dem Gesicht herumwedeln, damit wir dem Volk des Herrn keinen Anstoß geben. Geht nicht klar aus dem Wort hervor, dass wir Schaden erleiden, wenn wir Sorge und Verzweiflung zulassen? Wird es nicht deutlich, dass wir für den Dienst unseres Herrn gestärkt, ausgerüstet und zubereitet werden, wenn wir stark sind im Herrn und in der Kraft Seiner Stärke? Lasst uns deshalb mit aller Ernsthaftigkeit dem Herrn unseren Wunsch zuflüstern, dass Sein ewiger Trost unseren Geist bereichern möge, und dass jetzt momentan unsere Herzen getröstet werden mögen.

Der Trost des Evangeliums wird frei geschenkt

»Er Selbst aber, unser Herr Jesus Christus, und unser Gott und Vater, der uns geliebt hat und uns einen ewigen Trost und eine gute Hoffnung gegeben hat durch Gnade …« Merkt ihr, dass der Trost, den Gläubige erfahren, umsonst dargeboten wird? Er wird nämlich als Geschenk dargestellt. Ein altes Sprichwort drückt es ganz richtig aus: »Nichts ist freier als ein Geschenk.« Jeder Segen, den wir vom Herrn bekommen, kommt als Geschenk. Wir haben nichts verdient; was könnten wir also geben, um den Segen zu erwerben? Welches Werk könnten wir jemals verrichten, das uns ewige Tröstungen aus der Hand des großen Herrn verdienen könnte? 

Trost in Christus ist eine absolut freie Gabe der souveränen Gnade; denn der Herr hat das Recht zu handeln, wie Er will – aber sicherlich nicht um irgendeiner Sache willen, die wir getan hätten oder jemals tun könnten. Wenn du Trost oder Überwinderkraft in Gott findest, dann war es immer Gott, der dir deine heilige Freude geschenkt hat. Die Freiheit dieser Gabe ist in allen ihren Bereichen zu erkennen. Der Trost unseres Herrn ist absolut und allumfassend; aber er ist ebenso frei, wie er offensichtlich vollkommen ist. Er umfasst die Vergangenheit mit den herrlichen Worten: »… der uns geliebt hat«. Für die Gegenwart bereichert ihn uns die Wahrheit, dass Gott »uns einen ewigen Trost … gegeben hat«. Und für die Zukunft wird er mit dem Segen verherrlicht: »… und eine gute Hoffnung … durch Gnade«. Wir haben hier einen dreifachen Trost von unbeschreiblichem Wert.

Er hat uns geliebt. Warum? Kommt, ihr Weisen, dringt in die uralten Zeiten vor und erklärt mir, warum Gott Seine Auserwählten liebte. Steht still und starrt, solange ihr wollt, in den ewigen Ratschluss; aber die einzige Antwort aus der erhabenen Herrlichkeit kommt von Jesu Lippen: »Ja, Vater, denn so ist es wohlgefällig gewesen vor Dir« (Mt. 11,26). Soll der König der Könige Seine Gunst nicht gewähren können, wie Er will und wem Er will? Er liebte uns »vor Grundlegung der Welt« (Eph. 1,4). Eine so vollkommene Liebe kann ihren Grund nicht in irgendetwas Menschlichem haben. Ewige Liebe ist eine Flamme, die sich selbst entzündet; sie borgt keinen Brennstoff, sondern lebt aus sich selbst. Er sagt: »Mit ewiger Liebe habe Ich dich geliebt; darum habe Ich dich zu Mir gezogen aus lauter Gnade« (Jer. 31,3). 

Warum es aber diese ewige Liebe gibt, das können wir nicht sagen. Durch göttliche Liebe leuchtet Gottes Herrlichkeit in der geheimnisvollen Vergangenheit, und ihr Licht ist wie ein kostbarer Edelstein, ja, wie ein Jaspis, klar wie Kristall. Früher sahen wir, wenn wir zurückblickten, das Dunkel unserer Schuld und den tiefen Abgrund, aus dem wir gekommen waren; jetzt aber erkennen wir einen hellen Gnadenstrom, der vom Thron Gottes und des Lammes ausgeht, und wir verfolgen ihn zurück bis zu der ewigen Bestimmung der Liebe und des Gnadenbundes. 

Blicke, so gut du kannst, in das unauslöschliche Licht; aber selbst mit dem Auge des Glaubens ist alles, was du in den vergangenen Zeiten ergründen kannst, die unvergleichliche Größe des Wortes LIEBE. Der Herr liebte uns von Ewigkeit her. Wie frei ist diese Liebe! Wie viel bleiben wir Ihm dafür schuldig! Die Vergangenheit ist erhellt von der Liebe – von Liebe, die ganz umsonst geschenkt ist.

Für die Gegenwart hat Er uns einen ewigen Trost gegeben. Wir haben ihn jetzt. Wir haben die Vergebung unserer Sünde; uns wird die vollkommene Gerechtigkeit Christi angerechnet; wir haben Leben in Christus, eine Verbindung mit Christus – wir sind die Braut Christi. Wir werden mit Christus der Herrlichkeit teilhaftig sein; aber selbst schon jetzt haben wir eine Anzahlung davon im Geist, der in uns wohnt und ewig bei uns sein wird. 

All dies ist mit Sicherheit ein Geschenk. Wie könnte es anders sein?! Wenn du dies erkennst, dann lobe den Geber! All das wäre nie unser gewesen, wenn nicht freie Gnade und sterbende Liebe es uns gebracht hätten.

Zur Zukunft: Was ist damit? Die Wolken ziehen dunkel herauf, in der Ferne donnert schon das Gewitter, und wir zittern in der Furcht, am Ende unseres Lebens, wenn unsere körperlichen Kräfte nachlassen, vom Todessturm eingeholt zu werden. Aber für all das gilt: Wir haben eine feste Zuversicht und Hoffnung durch Gnade. Die Schrift versichert uns, dass der große Hirte im Tal der Todesschatten bei uns sein wird (Ps. 23,4), dass nach dem Tod die Auferstehung kommt, und dass wir mit unseren verwandelten Leibern den König in Seiner Schönheit sehen werden, wenn Er wiederkommen und auf der Erde stehen wird. Diese Hoffnung ist so großartig, dass sie die ganze Zukunft mit Musik erfüllt. 

Auch dies ist Gnade. Keine Spur von rechtmäßigem Anspruch findet man darin; sie wird nicht auf dem Wege der Belohnung erlangt, sondern als göttliche Gunst geschenkt. Freie Gnade regiert durch die ganze Vergangenheit hindurch, in der Gegenwart und in die Zukunft hinein.

Um jedem Missverständnis vorzubeugen, bezeichnet der Apostel Ihn Selbst aber, unseren Herrn Jesus Christus, als Denjenigen, von dessen Hand diese Tröstungen so frei geschenkt werden. Welch herrlicher Gedanke, dass Jesus Christus mich trösten soll! Wenn der Herr sich daran macht, Seine Brüder zu trösten, dann – dessen bin ich mir sicher – wird Er es auf göttliche Weise tun.

Er wird darin nicht versagen oder entmutigt werden. Er wird das zerbrochene Herz heilen, wenn es verletzt ist. Damit wir nicht fallen, hält Er Seine ewigen Arme um uns, und damit wir nicht verwundet werden, breitet Er den Schatten Seiner Flügel über uns. Er schenkt uns Sein ganzes Wesen in aller Größe und Seine Menschlichkeit in all ihrer Zärtlichkeit. Er bemüht sich um uns und wird uns nicht ohne Trost belassen. Er kommt zu uns als der Mitfühlende in allem Kummer und als mächtiger Helfer in allen Schwierigkeiten. 

Welch eine Gnade wird uns zuteil! Ist Er nicht voller Gnade und Wahrheit? »Denn Gott hat Seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit Er die Welt richte, sondern damit die Welt durch Ihn gerettet werde« (Joh. 3,17). Ein Tag des Gerichts wird kommen; aber jetzt sitzt der Sohn Gottes noch auf dem Gnadenthron, und Sein Zepter ist das der Liebe. Wir wissen, dass die Tröstungen des Evangeliums gnädig geschenkt werden müssen, weil sie uns von Jesus Christus Selbst gebracht werden.

Dann fügt der Apostel feierlich hinzu: »Und unser Gott und Vater.« Es scheint etwas besonders Liebliches darin zu liegen. Nicht »Gott, der Vater«, sondern »unser Gott und Vater«. Wir lieben Gott den Vater, aber als »unser Gott und Vater« kommt Er uns noch näher und macht unser Herz glücklich. Nun, ein Vater zahlt seinen Kindern keine Gehälter; die Gaben seines Vaterherzens werden ihnen geschenkt. So sehen wir, dass die ewigen Tröstungen des Evangeliums freiwillige Geschenke unseres großen Vaters sind, der denen, die Ihn bitten, gern gute Gaben gibt.

Kannst du nicht gerade in diesem Moment aufblicken und rufen: »Unser Vater!«? Welche Herrlichkeit, das Zeugnis des Geistes in deiner Seele zu haben und zu rufen: »Abba, Vater!« Der Geist der Sohnschaft ist niemals ein Geist der Knechtschaft oder Gesetzlichkeit. Er prahlt nie mit menschlichen Verdiensten; vielmehr ist sein einziges Lied »freie Gnade und sterbende Liebe«. Möge die freie Gunst unseres Vaters dein Herz zur Anbetung bringen!

Lies noch einmal 2. Thessalonicher 2,16-17, und du wirst sehen, wie deutlich sich Paulus hier ausdrückt. Um uns die Freiheit jener Tröstungen, die Gottes Volk in Schwierigkeiten erhält, vor Augen zu malen, schreibt er: »Er Selbst aber, unser Herr Jesus Christus, und unser Gott und Vater, der uns geliebt hat …« 

Göttliche Liebe ist eine so großartige Wahrheit, dass man über sie weniger mit der Zunge sprechen als sie vielmehr in der Stille des Herzen genießen kann. Ich kann durchaus verstehen, dass Gott mit mir in meinem Elend Mitleid hat; aber es füllt mich mit heiligem Erstaunen, wenn ich höre, dass Er mich liebt. Mich liebt! Was könnte in mir sein, das der Heilige Geist lieben sollte?! Warum sollte Jesus Christus ein Herz für dich haben?! Liebt der Töpfer Seinen eigenen Ton? 

Wunder über Wunder: Der Herr liebt uns arme, von Sünde verschmutzte Niemande mit solch üblem Charakter und solch verderbter Natur! Dass Er uns so sehr liebt, dass Er tatsächlich für uns, die wir an Ihn glauben, gestorben ist, ist das größte Wunder Seiner Macht. Ja, Seine Liebe ist die Quelle und der Ursprung aller uns geschenkten Gnadengaben. Keine Frage, dass Seine Liebe frei geschenkt wird, denn wahre Liebe ist nicht käuflich. Liebe geht nicht auf den Markt, sie weiß nichts von Preisen oder Tauschgeschäft. Liebe muss immer unbestechlich und unbezahlt sein, oder sie ist keine Liebe. Der göttlichen Liebe einen Preis geben, sie kaufen? Was wäre an einem solchen Vorhaben nicht schwärzeste Gotteslästerung?

 Achte darauf, dass der Apostel hinzufügt – weil er befürchtet, dass wir von dieser Lehre der Gnade abweichen könnten –: Er hat uns einen ewigen Trost gegeben und »eine gute Hoffnung … durch Gnade«. Manch einer kann das Wort Gnade nicht hören; es sei zu »calvinistisch«. Mir ist egal, wie du es nennst; aber es ist das allerbeste Wort in der Bibel neben dem Namen Gottes, unseres Retters. 

Von der Gnade Gottes geht all unsere Hoffnung aus. Entweder die Gnade muss regieren, oder der Mensch muss sterben. Alle anderen Straßen sind aufgebrochen; nur die Gnade überbrückt den Abgrund zum Menschen und bahnt dem Austausch zwischen Himmel und Erde den Weg. Die Gnade, und nur die Gnade, regiert unser geistliches Wohlergehen. Lasst uns Gott dafür die Ehre geben! Alle guten Werke, die den christlichen Charakter zieren, sind das Ergebnis der Gnade Gottes und nicht die Ursache dafür. Wir empfangen Gnade, damit wir Gott dienen können – nicht weil wir Gott dienen. Das Ziel göttlicher Gnade ist, uns heilig zu machen; die Gnade wartet nicht, bis sie uns heilig vorfindet.

Deshalb sind die Tröstungen, die Gott schenkt, ewig. Wenn die Gnade auf unseren Verdiensten aufgebaut wäre, so wäre sie auf Nebel gegründet oder würde auf einem Schatten ruhen, der durch einen Traum gestützt wird. Wenn aber Gott uns aus reiner Gnade liebt, und wenn Jesus Christus uns aus reiner Liebe Trost schenkt, und wenn unser ganzes Wohlergehen auf der souveränen Gnade Gottes in Christus Jesus beruht, gibt es keinen Grund, dass sie je enden sollte. 

Verlass dich nie auf deine erhabenen Gefühle und deine heiligen Werke oder deinen Glauben, dass die Sünde in dir tot sei. Wer demütig vor den Füßen Gottes liegt, sich seiner Sünde bewusst ist, über sie trauert und sich in allen Dingen auf die souveräne Gnade und freie Barmherzigkeit in Christus Jesus stützt, kann sicher sein, gerade da, wo er sich befindet, denn seine Hoffnung wird nie versagen.

Wohin führt uns das?

Christen sollten von ganzem Herzen an jedem guten Werk interessiert sein. »Er tröste eure Herzen und stärke euch in jedem guten Werk und Wort.« Als Nachfolger Christi will ich zu allem, was anderen guttun kann, gern meinen Teil beitragen. Die Sorgen meiner Mitmenschen gehen mich sehr wohl etwas an.

Das sollte sich in direkten Taten ebenso wie in Worten niederschlagen. »In jedem guten Wort und Werk.« Manche Christen denken, das Wort sollte alles und das Werk nichts bedeuten; aber das ist nicht die Lehre der Schrift. Solche Menschen sprechen viel darüber, was sie tun wollen, und reden viel darüber, was andere tun sollten, und noch viel mehr darüber, was andere nicht tun. Sie machen immer weiter mit Wort, Wort, Wort, und nichts anderem als Wort. Sie kommen nie bis zum Werk; aber der Apostel hat Wort und Werk bewusst nebeneinandergestellt. Direkte praktische Hilfe sollte geleistet werden, denn unser Herr liebte nicht nur in Worten, sondern auch in Tat und Wahrheit.

Das sollte ohne Druck getan werden. Wie Gott uns aus freien Stücken liebt, so sollten auch wir alles frei aus einem überfließenden Herzen heraus tun. Gib, weil du großzügig bist – nicht, weil du dich dazu verpflichtet fühlst. Wie kann sich ein liebevolles Herz mehr Freude bereiten als durch Gutestun? Gib, wie du einem König gibst; denn wenn wir dazu die Gelegenheit hätten, gäben wir ihm das Beste, was wir haben. Lass es so in allen Diensten geschehen, die du Gott erweist. Lass Ihn dein Bestes, dein Edelstes, deine kostbarsten Besitztümer bekommen. Ach, dass doch die, die an die freie Gnade Gottes glauben, im Nachjagen dem Dienen an anderen ganz vorn lägen! Gib umsonst und frei, weil du umsonst und frei empfangen hast!

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Freie Gnade – ein Motiv für freies Geben

von Verena Penner Lesezeit: 18 min