Wachst in der Gnade!

4 Juli, 2024

Kategorie: Erbauung

Bibelbuch: 2. Petrus

Wachst in der Gnade!

»Wachst dagegen in der Gnade und in der Erkenntnis unseres Herrn und Retters Jesus Christus! Ihm sei die Ehre, sowohl jetzt als auch bis zum Tag der Ewigkeit! Amen.« 
2. Petrus 3,18

Wachstum ist keine aktive Tätigkeit unsererseits; und doch können wir die dafür erforderlichen Bedingungen einhalten, die dann das Wachstum herbeiführen. Notwendig ist die regelmäßige Aufnahme von fester und flüssiger Nahrung und Sauerstoff, notwendig sind auch fleißige Übungen und andererseits Ruhe und Erholung. Mit Hilfe dieser Überlegungen aus dem natürlichen Leben wird uns klar, dass wir bei treuer Erfüllung der im Neuen Testament aufgezeigten Bedingungen und regelmäßiger Selbstprüfung nicht vergeblich auf Wachstum hoffen werden, sondern es vielmehr eine zwangsläufige Folge sein muss. 

So wollen wir uns nun mit der Frage beschäftigen, wie man sich über den Vorgang des Wachstums Rechenschaft ablegen kann. 

Wie messe ich als Christ das Wachstum im eigenen Leben? 

Hiermit wenden wir uns gewiss einem wichtigen Bestandteil der Ermahnung des Apostels zu. Man hört gelegentlich von gewissen Christen, dass sie der Überzeugung sind, das volle Maß des Wachstums bereits erreicht zu haben. Wenn das stimmen würde, wäre es natürlich sinnlos, weiteres Wachstum von ihnen zu erwarten. Wer glaubt, durch eine Augenblickserfahrung zum Höchstmaß gelangt zu sein, der ist am Ziel und hat nur noch die eine Aufgabe, den erreichten Stand nicht wieder zu verlieren. Das aber ist kein Wachstum mehr. Darum ist es für uns äußerst wichtig, uns mit der Frage nach der Bewertung des Wachstums zu beschäftigen. 

Wie können wir feststellen, ob wir wachsen? Woran können wir unser Wachstum messen? Zunächst einmal müssen wir begreifen, dass wir keine Treibhauspflanzen sind. Wir dürfen unsere Zeit nicht ausschließlich damit verbringen, über uns selbst nachzudenken, uns im geistlichen Sinn den Puls zu fühlen und die Temperatur zu messen. Das wäre ein falscher Ansatz, und das ist auch nicht unser Hauptanliegen. Ein wesentlicher Grund für alle derartigen Überlegungen ist vielmehr unser Zeugnis als Christen vor der Welt.

Wir leben in einer Zeit der Ratlosigkeit, und darum sind wir mehr denn je dazu verpflichtet, uns an den Maßstäben der Heiligen Schrift auszurichten. Viele Anzeichen sprechen dafür – ich denke, darin sind wir uns einig –, dass sich das Leben vieler Christen auf einem kindisch-unreifen Niveau abspielt. 

Wenn du in geistlicher Hinsicht wachsen willst, musst du zwei Dinge beachten. Erstens musst du immer die Ehre Gottes im Auge behalten und nicht deine eigene Ehre. Willst du in der Gnade wachsen, dann musst du beachten, dass es dir letztlich nicht um dein Wachstum gehen darf, sondern um die Ehre Gottes. Das Ziel meines Wachstums darf nicht sein, dass ich besser dastehe als andere oder besser bin, als ich vorher war, sondern dass ich Gott verherrliche und ein brauchbares Werkzeug in Seiner Hand werde. Kurz gesagt: Das Motiv muss stimmen. 

Es darf mir niemals um mich selbst gehen, auch nicht darum, dass ich um der Heiligkeit willen heilig werde. »Ich bin der HERR, euer Gott; darum sollt ihr euch heiligen und sollt heilig sein; denn Ich bin heilig« (3.Mo. 11,44). Das heißt also: Ich soll heilig sein, weil meine Heiligkeit mich befähigt, Gottes Herrlichkeit in einer Ihm wohlgefälligen Weise darzustellen. Es ist so, wie es auch für die leibliche Gesundheit gilt: Ein Gesunder denkt normalerweise nicht ständig über seine Gesundheit nach; tut er es doch, dann äußert sich darin meist schon ein erstes Krankheitssymptom. Darum werde ich, solange die Ehre und Herrlichkeit Gottes in meinem geistlichen Leben im Vordergrund steht, frei von krankhaften Neigungen sein. 

Das zweite Prinzip zur Vermeidung möglicher Gefahren ist die Beachtung einer überaus wichtigen Regel: Ich darf bei einer Selbstprüfung niemals vergessen, dass die Rechtfertigung des Menschen vor Gott allein durch den Glauben geschieht. Vergesse ich dieses Prinzip, dann werde ich unvermeidlich feststellen, dass ich überhaupt kein Christ bin. Ich werde in tiefe Hoffnungslosigkeit und Depression verfallen. Wenn ich das verstehe, dass ich allein durch die Gnade Gottes in Christus Jesus gerettet bin und mich selbst niemals vor Gott gerecht machen kann, dann bleibe ich vor Irrwegen bewahrt. Es ist einzig und allein der stellvertretende Tod Jesu Christi am Kreuz von Golgatha, der mich rettet – nur dort ist unsere Erlösung zu finden.

Wenn ich so an die Sache herangehe, dann treiben mich alle Probleme, alles Versagen, alle Unwürdigkeit, alle Mängel, die ich bei mir entdecke und die mich verdammen müssten, umso mehr zu Christus. Sie treiben mich dazu, mich an Seinen Sühnetod am Kreuz zu klammern. Aber wehe mir, wenn ich das einmal versäumt habe; dann werden mich Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit überfallen. Darum lasst uns, wann immer wir uns selbst prüfen, sicherstellen, dass wir danach stets zurück zum Kreuz geführt werden. 

Hier haben wir nun allerdings ein weiteres und wichtiges Thema vor uns liegen, über das wir uns Gedanken machen müssen. 

Wie bewerte ich mein Wachstum in der Gnade? 

Dazu gibt es zwei Wege, einen falschen und einen richtigen. Falsch ist es, sich mit anderen zu vergleichen, die offensichtlich schlechter dastehen als wir selbst. Das zu sagen, klingt fast banal, doch wie schnell unterläuft uns dieser Fehler. Niemand möchte das Jahr mit einer negativen Bilanz abschließen, und ein derartiger Vergleich wäre die einfachste Methode, dem zu entgehen. Ich brauche nur die Nachrichten zu lesen, um sagen zu können: »Nein, so bin ich nicht!«, und schon habe ich es geschafft. Bei einem derart niedrigen Niveau ist es kein Kunststück, mit sich selbst zufrieden zu werden. Aber das ist Selbstbetrug. 

Ebenso falsch wäre es, wenn wir unsere Aktivitäten zum Maßstab unseres Wachstums machten, und auch das ist eine große Gefahr für uns alle. Aktivität oder Eifer ist nicht unbedingt ein Zeichen von Wachstum. Am Beispiel eines Kindes wird uns das ohne Weiteres deutlich: Ein Kind ist im Allgemeinen viel beweglicher als ein Erwachsener; wenn wir also unsere Aktivität zum Maßstab unseres Wachstums machen, richten wir uns an einem kindlichen Merkmal aus. 

Doch was ist denn nun die richtige Methode, um mein Wachstum zu messen? Da gibt es nur eine Antwort: Unser Maßstab ist Gottes Wort, die Bibel; diesen Maßstab müssen wir anwenden. Will ich wissen, wo ich geistlich stehe, muss ich lesen, was mir die Heilige Schrift über einen Christen zu sagen hat. Obwohl auch das eine Selbstverständlichkeit zu sein scheint, muss ich darauf hinweisen, dass wir diesen Gesichtspunkt beim Lesen der Bibel nur allzu oft unbeachtet lassen und weit davon entfernt sind, uns daran zu messen. Beim mechanischen Lesen der Bibel fühlen wir uns unter Umständen nicht ein einziges Mal persönlich angesprochen, und doch ist die Heilige Schrift die einzige Möglichkeit zur Selbstprüfung. Sie zeigt uns erstaunliche Vorbilder und zahlreiche Beschreibungen des Christenlebens und der Menschen, denen wir nacheifern sollen. 

Wir sehen die Vorbilder des Alten Testaments, die Apostel im Neuen Testament, die ersten Christen und ihre Lebensweise, was sie sagten, wonach sie strebten. Auf sie zu sehen und uns im Licht ihres Vorbildes und der hier aufgestellten Grundsätze zu erforschen, ist die beste und allein richtige Methode. 

Auch die Biografien gottesfürchtiger Christen zu lesen, ist wertvoll, birgt aber auch eine gewisse Gefahr, falls wir versuchen sollten, ihre Erfahrungen einfach nachzuahmen, anstatt nur ihre Treue gegenüber den neutestamentlichen Vorbildern zu beachten. Und darüber hinaus bleibt eines stets das Wichtigste: Der Blick muss auf unseren Herrn Jesus Christus Selbst gerichtet sein. Wie oft werden wir dazu ermahnt! »Ihr sollt so gesinnt sein, wie es Christus Jesus auch war!« (Phil. 2,5). Das ist der Maßstab, das ist unser Ziel: So zu sein wie Er, und ein Leben zu führen in Übereinstimmung mit Ihm Selbst. 

Wie wende ich den Maẞstab des Wortes Gottes in meinem alltäglichen Leben an? 

Auch da sehe ich wieder zwei Möglichkeiten. Wir haben im Neuen Testament sowohl negative als auch positive Beispiele. Wenn uns die Wesensmerkmale eines »Unmündigen in Christus« gezeigt werden, die noch nicht denen eines »Mannes« in Christus entsprechen (s. 1.Kor. 3,1; 13,11), so handelt es sich um ein negatives Beispiel. Ich möchte uns den Unterschied zwischen beiden Stufen deutlich machen. 

Was sind die Merkmale eines solchen Unmündigen in Christus, der noch kein Wachstum zeigt? Auf ein erstes Kennzeichen hat uns Petrus im dritten Kapitel seines zweiten Briefes bereits hingewiesen: die Unbeständigkeit. Bei der Erwähnung der Briefe des Apostels Paulus sagt er: »In ihnen ist manches schwer zu verstehen, was die Unwissenden und Ungefestigten verdrehen, wie auch die übrigen Schriften, zu ihrem eigenen Verderben. Ihr aber, Geliebte, da ihr dies im Voraus wisst, so hütet euch, dass ihr nicht durch die Verführung der Frevler mit fortgerissen werdet und euren eigenen festen Stand verliert!« (2.Pt. 3,16-17). 

Hier handelt es sich um eine typische Eigenschaft eines Kindes: Es ist unbeständig, launisch, ängstlich und schnell entmutigt. Eine Erläuterung ist wohl kaum nötig. Doch übertragen wir all das einmal auf das geistliche Leben. Ein Christ, der sich schnell in Angst und Schrecken versetzen lässt, ist offensichtlich noch ein Kind in Christus. Wir sind in diese Welt gestellt, und manche von uns können von schweren Geschehnissen berichten, die sie erlebt haben. Sind wir davon leicht entmutigt? Sind wir schnell niedergeschlagen? Bringen solche Ereignisse unseren Glauben und unser Vertrauen auf die Liebe Gottes schnell ins Wanken? Sind wir ungefestigt und launenhaft? Wenn ja, dann sind wir noch kleine Kinder in Christus; denn nichts ist so kennzeichnend für diese Lebens- und Entwicklungsstufe wie die Unbeständigkeit. 

Eine zweite Eigenschaft eines Kindes ist sein Mangel an Verständnis und Unterscheidungsvermögen. Der Apostel Paulus drückt es in jenem großartigen Abschnitt des vierten Kapitels an die Epheser so aus: »… damit wir nicht mehr Unmündige seien, hin- und hergeworfen und umhergetrieben von jedem Wind der Lehre …« (V. 14).

Wir verstehen, was er damit meint. Da gab es Gläubige, die noch Unmündige in Christus waren. Sie hatten das Evangelium angenommen, hatten geglaubt und waren Mitglieder der Gemeinde geworden. Aber dann tauchten falsche Lehrer auf, die Irrlehren verbreiteten, und diese Unmündigen in Christus hielten sogleich große Stücke auf sie. Dann kam jemand, der das Gegenteil behauptete, und auch dem liefen sie nach. Der Unmündige ist immer das erste Opfer zuletzt aufgetauchter Irrlehren, die irgendeine scheinbare Verbesserung verheißen, irgendeine Lehre oder neue Theorie hervorbringen, und sofort sind sie überzeugte Verfechter derselben. »… damit wir nicht mehr Unmündige seien, hin- und hergeworfen und umhergetrieben – wie ein Korken auf den Wellen – von jedem Wind der Lehre«, die zufällig aufkommt. Es ist ein Zeichen von Unreife, wenn man sich von jeder religiösen Bewegung und Idee gefangen nehmen lässt. Das sage nicht ich, sondern das sagt die Heilige Schrift. 

Doch möchte ich noch einige besondere Merkmale hervorheben, die uns im dritten Kapitel des ersten Korintherbriefes gezeigt werden. Welch eine treffende Beschreibung finden wir da! Ein Unmündiger in Christus interessiert sich stärker für einen Lehrer als für die Wahrheit, die er lehrt. Das war die Ursache der dortigen Spaltungen. Einige hielten zu Paulus, einige zu Apollos, andere wieder zu Kephas, und eine weitere Gruppe bezeichnete sich als Anhänger Christi. Ihre Unterhaltung drehte sich ausschließlich um die Person der Prediger. »Solange ihr in dieser Weise miteinander redet«, sagt Paulus sinngemäß, »seid ihr Unmündige in Christus. ›Milch habe ich euch zu trinken gegeben und nicht feste Speise; denn ihr konntet sie nicht vertragen …‹« (1.Kor. 3,1-2). 

Die Gemeindeglieder in Korinth hatten wie manche anderen das unschätzbare Vorrecht gehabt, die Predigten des Apostels Paulus zu hören. Aber nun gab es auch Zuhörer, die ihn verspotteten und sagten: »Seine leibliche Gegenwart ist schwach, er ist keine eindrucksvolle Persönlichkeit.« Sie diskutierten über den großen Apostel, diesen Knecht Gottes: »›Die Briefe … sind gewichtig und stark, aber die leibliche Gegenwart ist schwach und die Rede verachtenswert.‹ Er ist einfach kein Mann, der durch sein Auftreten und seine Reden etwas bewirkt« (s. 2.Kor. 10,10). 

Sie waren eben Unmündige in Christus. Und obwohl sie Christen waren, interessierten sie sich doch mehr für die Persönlichkeit des Predigers als für die Wahrheit. Kann man sich das vorstellen, dass jemand, der die Wahrheit Gottes aus dem Mund eines so heiligen Mannes hört, noch darauf achtet, wie er aussieht? Aber letztlich geht es um die eine Frage, die Vorrang vor allen anderen hat: die Frage der Stellung des Menschen zu Gott. 

Liebe ich Gott mehr als zuvor? 

Suche ich Seine Herrlichkeit mehr als bisher? Habe ich ein wachsendes Verlangen nach Ihm Selbst und nicht nur nach dem, was Er für mich tun kann? Ein Kind erwartet und begehrt Geschenke. Genauso kommen leider auch viele von uns zu Gott, weil sie an Seinen Gaben interessiert sind, an dem, was man von Ihm bekommen kann. Sie halten Ihn für eine Autorität, deren Pflicht und Schuldigkeit es sei, uns zu segnen. Um diesen Fehler zu vermeiden, müssen wir uns der wichtigsten aller Fragen stellen: Begehre ich die Nähe Gottes, weil ich etwas von Ihm erwarte, oder begehre ich Seine Nähe, weil Er Gott ist? Geht es mir darum, Ihn zu erkennen und in Seiner Gegenwart vor Ihm zu wandeln, wie ein Kind bei seinem Vater sein möchte? 

»Ich vergesse, was dahinten ist, und strecke mich aus nach dem, was vor mir ist«, sagt Paulus (Phil. 3,13). Das war sein großes Ziel: »Ihn zu erkennen« (V. 10). Das stellt uns vor die entscheidende Frage: Wollen wir zu Ihm hinwachsen und Ihn begehren, Ihn allein? Möge Gott uns Gnade schenken, dass wir, wenn wir uns im Licht dieser Ermahnung des Apostels prüfen, sagen können: Ich bin ein wenig weitergekommen, bin ein wenig gewachsen, und es ist mein größtes Verlangen, Ihn zu erkennen und Ihm immer ähnlicher zu werden – zu Seiner Verherrlichung!


Ein Auszug aus dem Buch »Licht an einem dunklen Ort«

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Wachst in der Gnade!

von Lucas Derksen Lesezeit: 9 min