Jede Gemeinde strebt nach Wachstum. Erstaunlicherweise versuchen jedoch nur wenige Gemeinden, das interne Gemeindewachstum zu fördern, indem sie die Notwendigkeit betonen, Kinder in den Wahrheiten der Bibel zu erziehen. Nur wenige gläubige Eltern beschäftigen sich ernsthaft mit der Frage, warum viele Teenager nur äußerlich mitleben, oder warum sie so wenig Interesse an der biblischen Wahrheit haben und sich der Welt hingeben.
Ich glaube, dass einer der Hauptgründe für dieses Scheitern darin liegt, dass der Familienandacht zu wenig Bedeutung beigemessen wird. In vielen Gemeinden und Häusern ist die Familienandacht eine jedem freigestellte Nebensache oder besteht höchstens nur noch aus einer flüchtigen Übung wie aus einem kurzen Tischgebet vor den Mahlzeiten. Das hat zur Folge, dass viele Kinder ohne christliche Glaubenserfahrung und ohne tägliche Familienandacht aufwachsen.
Als meine Eltern ihren 50. Hochzeitstag feierten, beschlossen wir fünf Kinder, uns bei Vater und Mutter für etwas Bestimmtes zu bedanken, ohne uns vorher abzusprechen. Interessanterweise dankten wir, alle fünf, unserer Mutter für ihre Gebete, und alle fünf von uns dankten unserem Vater dafür, dass er unsere Familienandacht am Sonntagabend geleitet hatte. Mein Bruder sagte: »Papa, die schönste Erinnerung, die ich habe, sind die Tränen, die über dein Gesicht liefen, während du uns am Sonntagabend aus der Pilgerreisevorgelesen und erklärt hast, wie der Heilige Geist die Gläubigen führt. Als ich drei Jahre alt war, hat Gott dich in einer Familienandacht dazu gebraucht, mich davon zu überzeugen, dass das Christentum etwas Echtes ist. Wie weit ich mich später auch verirrt haben mag – ich konnte die Echtheit des Christentums nie ernsthaft in Frage stellen, und dafür möchte ich dir danken.«
Wollen wir erleben, dass der Herr unsere Kinder erweckt und errettet? Dann sollten wir uns daran erinnern, dass Gott oft die Wiederherstellung der Familienandacht dazu benutzt, eine Erweckung in der Gemeinde zu bewirken. Zum Beispiel verpflichtete sich die puritanische Gemeinde von Dorchester, Massachusetts, im Jahre 1677, ihr Familienleben nach der biblischen Lehre auszurichten und gewissenhaft darauf zu achten, in ihren Häusern Gott anzubeten und Ihn in der Ausübung aller ihrer Verpflichtungen zu verherrlichen. Vor allem aber sollten sie ihre Kinder in der Furcht Gottes erziehen und sie lehren und ermahnen, die Wege des Herrn zu bewahren.
Wie das Zuhause funktioniert, funktioniert auch die Gemeinde und die Nation. Die Familienandacht ist natürlich nicht der einzige, aber doch der entscheidende Faktor für ein gesegnetes Familienleben. Sie ist kein Ersatz für die Ausübung der anderen elterlichen Pflichten. Familienandacht ohne das elterliche Vorbild ist sinnlos. Spontane Belehrungen, die sich im Laufe eines gewöhnlichen Tages ergeben, sind wichtig, aber auch feste Zeiten der Familienandacht. Die Familienandacht ist die Grundlage biblischer Kindererziehung.
Die theologischen Grundlagen der Familienandacht sind im Wesen Gottes Selbst verwurzelt. Der Apostel Johannes sagt uns, dass die Liebe Gottes untrennbar mit Seiner Dreieinigkeit verbunden ist. Die Liebe Gottes geht von Ihm aus und ist überfließend. Sie teilt ihre Glückseligkeit von jeder Person der Dreieinigkeit den anderen Personen derselben mit. Gott war nie ein einsames Individuum, dem etwas in sich Selbst gefehlt hätte. Die Fülle des Lichts und der Liebe wird auf ewig zwischen dem Vater, dem Sohn und dem Geist mitgeteilt.
Der majestätische dreieinige Gott hat sich nicht nach unseren Familien ausgerichtet, sondern Er hat das irdische Konzept der Familie Seinem eigenen Vorbild gemäß gestaltet. Unser Familienleben ist ein schwacher Abglanz des Lebens der heiligen Dreieinigkeit. Deshalb spricht Paulus von »dem Vater unseres Herrn Jesus Christus, von dem jede Familie in den Himmeln und auf der Erde benannt wird« (Eph. 3,14-15; ELB). Die Liebe zwischen den drei Personen der Dreieinigkeit war von Ewigkeit her so groß, dass der Vater beschloss, eine Welt von Menschen zu schaffen, die, obwohl sie begrenzt sind, Persönlichkeiten sein sollten, die den Sohn widerspiegeln. Indem Menschen dem Sohn gleichgestaltet werden, können sie an der glückseligen Heiligkeit und Freude des Familienlebens der Dreieinigkeit teilhaben.
Gott schuf Adam zu Seinem Ebenbild und Eva aus Adam. Aus ihnen ging die gesamte Menschheitsfamilie hervor, sodass die Menschheit eine Bundesgemeinschaft mit Gott haben kann. Als Zwei-Personen-Familie beteten unsere ersten Eltern Gott ehrfurchtsvoll an, wenn Er mit ihnen im Garten Eden wandelte (1.Mo. 3,8).
Adam war Gott jedoch ungehorsam und verwandelte dadurch die Freude an der Anbetung und der Gemeinschaft mit Gott in Angst, Schrecken, Schuld und Entfremdung. Als unser Repräsentant trennte Adam die Beziehung zwischen der Familie Gottes und der Familie der Menschheit. Aber die Absicht Gottes konnte nicht vereitelt werden. Während sie noch im Paradies vor Ihm standen, kündigte Gott einen neuen Bund an, den Bund der Gnade, und erzählte Adam und Eva von Seinem Sohn, der als der Same der Frau die Macht Satans über sie brechen und ihnen die Segnungen dieses Gnadenbundes sichern würde (1.Mo. 3,15).
Durch den Gehorsam Christi gegenüber dem Gesetz und durch Sein Opfer für die Sünde eröffnete Gott den Weg zur Errettung von Sündern und befriedigte gleichzeitig Seine vollkommene Gerechtigkeit. Das Lamm wurde auf Golgatha geschlachtet, um die Sünde der Welt hinwegzunehmen, sodass arme Sünder wie wir wieder zu unserer wahren Bestimmung zurückkehren können: den dreieinigen Gott zu verherrlichen, Ihn anzubeten und mit Ihm Gemeinschaft zu pflegen. In 1. Johannes 1,3 heißt es: »… und unsere Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit Seinem Sohn Jesus Christus.«
Gott handelt mit der Menschheit durch Bündnisse und Oberhäupter bzw. Stellvertreter. Im Alltagsleben vertreten die Eltern die Kinder, ein Vater vertritt seine Frau und seine Kinder, die Ältesten der Gemeinde die Gemeindemitglieder und die Abgeordneten die Bürger. Im geistlichen Leben wird jeder Mensch entweder durch den ersten oder den letzten Adam vertreten (siehe Röm. 5 und 1.Kor. 15).
Dieses Prinzip der Stellvertretung taucht überall in der Heiligen Schrift auf. So lesen wir zum Beispiel von der gottesfürchtigen Linie von Seth und auch von Noah und Hiob, die für ihre Kinder Opfer darbrachten (1.Mo. 8,20-21; Hi. 1,5). Gott organisierte die Menschheit durch Familien und Stämme und handelte mit ihnen hauptsächlich durch den Vater als Oberhaupt. So sagte Gott zu Abraham: »In dir sollen gesegnet werden alle Geschlechter auf der Erde!« (1.Mo. 12,3).
Die mosaische Ordnung setzte den Grundsatz fort, dass der Vater die Familie in der Anbetung und der Gemeinschaft mit Gott vertritt. Das 4. Buch Mose konzentriert sich besonders auf den Umgang Gottes mit Seinem Volk in Bezug auf die Familien und ihre Oberhäupter. Der Vater sollte die Familie bei der Passahfeier anführen und seine Kinder in deren Bedeutung unterweisen.
Die Führungsrolle des Vaters in der Anbetung setzte sich während der gesamten Monarchie in Israel und in den Tagen der alttestamentlichen Propheten fort. So prophezeite Sacharja, dass das Volk, wenn der Heilige Geist in einem zukünftigen Zeitalter ausgegossen würde, Ihn als den Geist der Gnade und des Gebets erleben würde, der sie, Familie für Familie, zu bitterer und herzerschütternder Klage bewegen würde. Die einzelnen Familien werden nach ihren Oberhäuptern und Vätern benannt: das Haus Davids, das Haus Nathans, das Haus Levis und das Haus Simeis (Sach. 12,10-14).
Die Beziehung zwischen Gottesdienst und Familienleben setzte sich in der neutestamentlichen Zeit fort. Petrus bekräftigte die Verheißung an Abraham, den Vater der Gläubigen (Röm. 4,11), als er den Juden in seiner Pfingstpredigt erklärte: »Denn euch gilt die Verheißung und euren Kindern und allen, die ferne sind …« (Apg. 2,39). Und Paulus sagt uns in 1. Korinther 7,14, dass der Glaube eines Elternteils den Bundesstatus der Heiligkeit, des Vorrechts und der Verantwortung für seine Kinder begründet. Die neutestamentliche Gemeinde, welche die Kinder mit ihren Eltern einbezog (Eph. 6,1-4), und die Erfahrung der einzelnen Gläubigen, wie z. B. Timotheus (2.Tim. 1,5; 3,15), bestätigen die Bedeutung des Glaubens und der Anbetung innerhalb der Familie.
Douglas Kelly kommt zu dem Schluss: »Die Familienandacht, die nicht zuletzt davon abhängt, dass das Familienoberhaupt die Familie täglich in die Anbetung vor Gott führt, ist eine der mächtigsten Strukturen, die der treue Gott gegeben hat, um das Evangelium der Gnade Gottes über Generationen hinweg zu verbreiten, damit unzählige Menschen in die Gemeinschaft mit dem lebendigen Gott im Angesicht Jesu Christi geführt werden und Ihn anbeten können.«
Ein Auszug aus dem Buch:
Die Familienandacht neu entdecken
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- Wie kann ich Gottesfurcht und Liebe in der Familie fördern?
- Wie kann eine Gemeinde wachsen?
- Was kann unsere Gesellschaft verändern?
Joel Beeke zeigt in diesem Buch, dass ein Schlüssel für Erweckung in Familie, Gemeinde und Gesellschaft die Familienandacht ist. Dies ist nicht bloß ein idealistischer Vorschlag zur Entstehung gottesfürchtiger Familien, sondern wird in der ganzen Heiligen Schrift als feierliche Pflicht dargestellt.
Mit großer seelsorgerlicher Sorgfalt gibt Beeke wertvolle Einblicke in die Umsetzung der Familienandacht. Er antwortet auf häufige Einwände, die dagegen erhoben werden, und motiviert den Leser, diese Pflicht in Treue durchzuführen.