Der begnadete Erweckungsprediger

10 Januar, 2023

Kategorie: Kurzbiografien

Der begnadete Erweckungsprediger


(1703-1758)

»Der Prediger muss in Theologie gut studiert,
mit dem Wort Gottes gut vertraut und mächtig in der Schrift sein.«

Jonathan Edwards wurde etwas mehr als siebzig Jahre nach der ersten Ansiedlung der Puritaner in Neuengland geboren. Zum Zeitpunkt seiner Geburt am 5. Oktober 1703 gab es in der Kolonie etwa 130 Städte. Einige waren gut etabliert, andere waren klein und lagen an den Grenzen der Einöde. Seine ersten zwölf Lebensjahre verbrachte Jonathan im Haus seiner Eltern in East Windsor, in der Nähe des Connecticut River. Sein Vater, Timothy Edwards, war Pastor der Ortsgemeinde, ein guter Prediger sowie Teilzeitschullehrer und Landwirt. Seine Mutter Esther hatte elf Kinder – vier Mädchen, dann Jonathan, dem sechs weitere Mädchen folgten. Aus dem größeren Familienkreis war sein Großvater mütterlicherseits, Solomon Stoddard, Pastor der größten Gemeinde in Neuengland.

Jonathan Edwards scheint eine gesunde und glückliche Kindheit gehabt zu haben, die er – wegen seiner vielen Schwestern – weitgehend in weiblicher Gesellschaft verbrachte. Als er noch nicht ganz dreizehn Jahre alt war, wurde er auf die Collegiate School of Connecticut geschickt. Edwards schloss 1720 mit dem Bachelor of Arts ab, und es wurde beschlossen, dass er weitere zwei Jahre dort verbleiben würde, um seinen Master of Arts zu erwerben. Ein Jahr später, im Frühjahr 1721, geschah jedoch etwas weitaus Wichtigeres.

Edwards war zu dieser Zeit ein religiöser Mensch, aber trotz »wiederholter Vorsätze« hatte diese Art Religion sein Herz nicht verändert oder seinen natürlichen Stolz gebrochen. »Doch nun«, so sagt er, »wurde ich zu einer neuen Sicht der Dinge gebracht, zu einem inneren Verlangen nach Gott und den göttlichen Dingen, ganz anders als alles, was ich je zuvor erlebt hatte. Ich bekam eine neue Erkenntnis von Christus, dem Erlösungswerk und dem herrlichen Weg der Erlösung durch Ihn.« Von diesem Zeitpunkt an war er überzeugt, dass es allein an Gottes freier Gnade liegt, wenn Er sich über Menschen erbarmt und sie errettet.

Gleich zu Beginn seines Glaubensweges wurde Edwards Interesse an der Ausbreitung des Reiches Gottes geweckt. Bevor er sein Masterstudium abschloss, ging er im Alter von neunzehn Jahren in den Dienst der presbyterianischen Gemeinde in New York. Dies war eine freudige Zeit für ihn, und die Predigten, die er in New York hielt, weisen ihn als reifen und gottesfürchtigen Prediger aus. Es gab jedoch einige, darunter sein Vater, die ihn zurück in Connecticut haben wollten, und von 1724 bis 1726 arbeitete er als Lehrer an der Universität Yale. Es waren Jahre der Vorbereitung, und das Jahr 1726 setzte einen großen Meilenstein in seinem Leben, denn in diesem Jahr wurde er eingeladen, seinem Großvater Solomon Stoddard zu folgen, der inzwischen dreiundachtzig Jahre alt war und immer noch als Pastor und Prediger in Northampton diente.

In der Zwischenzeit war etwas noch Bedeutsameres geschehen. Als junger Mann hatte Edwards eine junge, gottesfürchtige Frau kennengelernt, die mit ihrer Mutter in der Nähe des College Green in New Haven lebte. Sie hieß Sarah Pierrepont. Jonathan heiratete sie am 28. Juli 1727, und sie wurde seine unzertrennliche Gehilfin.

Northampton, eine Stadt mit etwa 200 Häusern, zählte etwa eintausend Einwohner. Das Ehepaar ließ sich in einer ländlichen Straße nieder. Ein Jahr später wurde das erste Kind geboren, und in den folgenden zweiundzwanzig Jahren wuchs die Familie auf acht Töchter und drei Söhne an.

Die ersten sieben Jahre in Northampton waren geprägt von harter Arbeit und großer Freude, während Edwards sich an die Umstände seines Lebens gewöhnte. Als Stoddard, der Großvater, 1729 starb, fiel die Betreuung der Gemeinde ganz auf Edwards. Als ihr Pastor trug er große Sorge um deren geistlichen Zustand, denn er entsprach nicht seinen Erwartungen. In seinen Predigten kam immer deutlicher zum Vorschein, dass er viele seiner Zuhörer nur als Namenschristen betrachtete: »Sie kommen jeden Sonntag zum Gottesdienst und hören Gottes Wort; aber alles, was man ihnen sagen kann, weckt sie nicht auf und bringt sie nicht dazu, darum zu ringen, gerettet zu werden.« Er befürchtete, dass solche Leute nicht einmal zuhören: »Sie schauen in der Versammlung umher und achten auf diese und jene Person, die dabei ist, oder sie denken an ihre weltlichen Angelegenheiten.«

Dieser Zustand fand sein Ende in einem der bekanntesten Ereignisse in Edwards Leben, nämlich in der Erweckung von 1734-1735, als – nach seinen Worten – »eine tiefe und ernsthafte Besorgnis über die großen Dinge des Glaubens und die Ewigkeit in allen Teilen der Stadt aufbrach«. Er schätzte, dass sich innerhalb von sechs Monaten 300 Menschen bekehrt hatten, und er hoffte daraufhin, dass »der größte Teil der Menschen in dieser Stadt, die älter als sechzehn Jahre sind, die rettende Erkenntnis von Jesus Christus haben«. Das waren Monate, in denen das überfüllte Gemeindehaus mit Lob und Anbetung Gottes erfüllt war.

Edwards veröffentlichte ein Buch über das erstaunliche Werk Gottes: »Wahre Erweckung«. Das Buch erregte große Aufmerksamkeit und machte Edwards und die Gemeinde in Northampton auf Anhieb sehr bekannt. Doch auch Schwierigkeiten ließen nicht auf sich warten. Ein Jahr nach der Erweckung entstanden wieder Kämpfe und Streitigkeiten, wie im Dorf, so auch in der Gemeinde, und es gab Anlass zu einer gewissen Enttäuschung, da seine Erwartungen bezüglich dauerhafter Ergebnisse der Erweckung nicht alle erfüllt wurden. 

Im Jahr 1740 jedoch begann der Herr an der Ostküste ein Werk der Gnade, das viel größer war als in den Jahren 1734-1735. Das war der Beginn der »Großen Erweckung«, die mehrere Orte in den dreizehn Kolonien erfassen sollte. Diese Erweckung wurde später von George Whitefield ausgedehnt. Für Edwards waren diese Jahre eine anstrengende Zeit, die ihn bis aufs Äußerste erschöpfte. Er kümmerte sich nicht mehr nur um seine eigene Gemeinde, sondern reiste nun auch weit im Land umher, um anderen Menschen das Evangelium der Gnade zu predigen. 

In diese Erweckungszeit fällt auch die Predigt »Sünder in den Händen eines zornigen Gottes«, die Edwards am 08. Juli 1741 in Enfield hielt. Ausgehend von 5. Mose 32,35 beschreibt er in überaus deutlicher Weise die Realität des Zornes Gottes und ruft die Menschen zu einer persönlichen Umkehr zu Gott auf. Viele Menschen wurden durch diese Verkündigung aufgerüttelt und bekehrten sich zu Gott. Diese Predigt wurde immer wieder gedruckt und war (und ist auch heute noch) dadurch zum Segen für viele.

Auf den Segen der Erweckung folgte wieder eine längere Zeit von Schwierigkeiten, als Edwards fast gleichzeitig mit zwei großen Problemen konfrontiert wurde. Erstens entwickelte sich ein Widerstand gegen die Tatsache, dass die Erweckung ein »Werk des Geistes Gottes« war. Einige gaben durch ihren törichten Lebensstil, dem es an Christusähnlichkeit mangelte, berechtigten Anlass zur Kritik. Und einige sahen lediglich die äußeren Erscheinungen als sicheren Beweis für das Wirken und die Gegenwart des Geistes an. Hinzu kam, dass – wie bei jeder Erweckung – eine große Zahl von Menschen dem Herrn folgen wollten, die jedoch nicht alle erweckt waren; manche engagierten sich für die Sache Gottes. Es hatte zwar den Anschein, als habe sich vieles in ihrem Leben verändert, doch es war nicht von Dauer, sondern sie kehrten mit der Zeit zu ihren alten Gewohnheiten und ihrer formalen Religiosität zurück. Mit Schmerz musste Edwards erkennen, dass in Northampton selbst die Zahl der echten Bekehrungen nicht so hoch war, wie er einst gehofft hatte.

Die zweite große Schwierigkeit, mit der Edwards nun konfrontiert war, bestand darin, dass die Unterstützung durch seine eigene Gemeinde abflachte, und eine Ursache dafür war die Feindseligkeit seiner Verwandten. Edwards erkannte, dass er nicht mehr mit der von seinem Großvater Stoddard seit langem geübten Vorgehensweise übereinstimmen konnte, dass kein Bekenntnis zum rettenden Glauben an Christus verlangt wurde, um Gemeindemitglied zu werden. Gemeindemitgliedschaft und Teilnahme am Mahl des Herrn – so wurde es Edwards bewusst – stand wirklich nur Erretteten und Getauften zu. Aber Großvaters Name war bereits sehr berühmt, und als diese Meinungsverschiedenheit seines Enkels mit dem großen Mann bekannt wurde, kam es zu einem Aufruhr in der Stadt, in den sich wie üblich auch die Verwandten einmischten. Das schlussendliche, traurige Ergebnis war, dass die Gemeinde ihn nicht mehr als Pastor haben wollte. Das Ausmaß der Tragödie wird noch größer, wenn man bedenkt, dass Edwards schrieb, dass »die meisten von ihnen mich als das wichtigste Werkzeug in Gottes Hand für ihre Errettung betrachteten«.

Edwards war nun sechsundvierzig Jahre alt. Er bekam keine finanzielle Unterstützung, und so blieb er, abgesehen von einigen vorübergehenden Beschäftigungen, fast ein Jahr lang ohne feste Anstellung. Dann nahm er im Oktober 1751 einen Ruf in eine ungewöhnliche Stellung an. Stockbridge war ein Dorf, ca. 64 Kilometer von Northampton entfernt, mit einer Gemeinde von nur etwa 12 Familien. Ein Faktor, der Stockbridge noch attraktiver machte, war die Anwesenheit von Indianern und einer Schule für Indianerkinder. 

Für Edwards war Stockbridge ein Ort des Friedens im Vergleich zu den Unruhen, die er hinter sich gelassen hatte. Aber es dauerte nicht lange, bis seine Verwandten auch in Stockbridge all ihre Vorurteile und Feindseligkeiten verbreiteten. Drei Jahre lang dauerte der weitere schmerzhafte Konflikt an; doch diesmal war es so, dass die neue Gemeinde zu ihrem Pastor hielt. 

Aber es gab noch weitere Schwierigkeiten, darunter anhaltende finanzielle Engpässe. Mit dem Ausbruch des Krieges gegen die Franzosen wurde die gesamte Gegend von Angriffen bedroht. Esther, eine der Töchter von Edwards, besuchte im Sommer 1756 ihre Eltern und ihre Familie in Stockbridge und war sehr beunruhigt über die gefährliche Lage, in der sie sich befanden.

Im folgenden Jahr starb Esthers Ehemann Aaron Burr, Direktor von Nassau Hall, dem kürzlich in Princeton gegründeten College of New Jersey, der späteren Princeton Universität, und Edwards erfuhr zu seiner Überraschung, dass die Mitglieder des Kollegiums beschlossen hatten, dass er der Nachfolger seines Schwiegersohns werden sollte. So wurde Edwards Leiter dieser Schule. Er war auch der Ansicht, dass er durch das Schreiben nützlicher sein könnte als durch das Sprechen, und er hatte eine Reihe Bücher geschrieben, die heute immer noch ein großer Segen sind. Er verband in seinen Büchern reformatorische Theologie mit puritanischer Frömmigkeit. 

Angesichts der dringenden Not in Princeton ließ Edwards Sarah und den größten Teil seiner Familie in Stockbridge zurück, als er im Januar 1758 abreiste.

An dieses Ereignis, als er das Haus zum letzten Mal verließ, erinnerte sich seine Tochter mit folgenden Worten: »Als er zur Tür hinausging, drehte er sich um und sagte: ›Ich übergebe dich Gott‹«. Edwards war jetzt vierundfünfzig Jahre alt und sprach davon, dass er bei besserer Gesundheit sei als früher. Aber im nächsten Monat missriet bei ihm eine Pockenimpfung, und am 22. März 1758 starb er in Princeton. Sechzehn Tage nach ihrem Vater starb auch Esther in Princeton und hinterließ zwei verwaiste Kinder. Sarah eilte aus Stockbridge herbei, um sich um sie zu kümmern. Doch sie starb dort selbst und wurde im Oktober 1758 neben ihrem Mann in Princeton begraben.

Jonathan Edwards ist einer der einflussreichsten und bedeutendsten Theologen und Prediger Amerikas. Seine berühmteste und letztlich einflussreichste Predigt war: »Sünder in den Händen eines zornigen Gottes«.

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Der begnadete Erweckungsprediger

von Verena Penner Lesezeit: 8 min