»Wir sind so von der Sünde gefangen genommen,
dass wir keine eigene Kraft haben, vor ihr zu fliehen.
Aus diesem Grund brauchen wir Hilfe, außerhalb von uns selbst.«
Wie verändern wir uns? Wie ändern wir unser Verhalten? Wie brechen wir mit sündigen Gewohnheiten und Verhaltensmustern? Wie befassen wir uns mit Sünde in unseren Gedanken, Wünschen und Motiven? Das sind bedeutsame Fragen, die zahllose Christen über Jahrhunderte hinweg beschäftigt haben. Unser Kampf betreffs Veränderung steht in Beziehung zu der Tatsache, dass wir einem permanenten Dilemma ausgesetzt sind, welches aus zwei uns bekannten Wahrheiten entsteht: Wir wissen, dass Sünde sich gut anfühlt, und wir wissen, dass Sünde Gott missfällt. Wann immer wir Versuchungen gegenüberstehen, prallen diese beiden Wahrheiten in der Praxis aufeinander, und zwangsläufig handeln wir entsprechend einer von ihnen. Welcher?
Die Antwort ist davon bestimmt, welche der beiden Wahrheiten für uns im Moment am attraktivsten erscheint. Das bedeutet weitgehend, dass der Schlüssel zur Veränderung darin liegt, die Sünde unattraktiv zu machen. Aber wie geht das zu? Um diese Frage zu beantworten, werde ich mich den Puritanern zuwenden. Dem Urteil mancher Menschen zufolge sind wir seit dem 16. und 17. Jahrhundert schon weit fortgeschritten. Was können uns die Puritaner überhaupt noch lehren? Nach J.I. Packer: »Die Antwort – in einem Wort – ist Reife. Reife setzt sich zusammen aus Weisheit, Nächstenliebe, Belastbarkeit und Kreativität. Die Puritaner dienen als Vorbilder und Beispiele für Reife, wir nicht. Wir sind geistliche Zwerge … Die Puritaner waren – im Gegensatz zu uns – Riesen. Sie waren großartige Seelen, die einem großartigen Gott dienten.«
Das Objekt der Veränderung: das Herz
Zunächst ist zu bemerken, dass die Puritaner lehren, dass das Objekt der Veränderung das menschliche Herz ist. Zugegeben, für die Menschen unserer Zeit ist dies ein sehr schwer zu begreifendes Konzept. Warum? Größtenteils denken sie nicht, dass irgendetwas mit ihrem Herzen nicht in Ordnung sei. Wenn es darum geht, menschliches Verhalten zu erklären, entscheidet sich die überwiegende Mehrheit der Leute für eine von zwei Gedankenschulen.
Einige übernehmen das Argument der Umwelt: Sie glauben, dass unser Verhalten auf unser Umfeld zurückzuführen sei. Und wenn wir unser Verhalten ändern wollen, müssen wir unser soziales Umfeld durch Bildung verändern. Andere übernehmen das Argument der Natur: Sie denken, dass unser Verhalten bestimmt sei durch unsere genetische Veranlagung. Und wenn wir unser Verhalten ändern wollen, müssen wir unsere genetische Veranlagung mit Hilfe der Wissenschaft verändern. Beide Gedankenschulen schreiben die Ursache menschlichen Verhaltens externen Faktoren zu und entbinden damit den Einzelnen von seiner Verantwortung.
Aber die Bibel zeichnet ein deutlich anderes Bild vom menschlichen Zustand. Christus verkündet: »Was aus dem Menschen herauskommt, das verunreinigt den Menschen. Denn von innen, aus dem Herzen des Menschen, kommen die bösen Gedanken hervor, Ehebruch, Unzucht, Mord, Diebstahl, Geiz, Bosheit, Betrug, Zügellosigkeit, Neid, Lästerung, Hochmut, Unvernunft. All dieses Böse kommt von innen heraus und verunreinigt den Menschen« (Mk. 7,20-23). Anders ausgedrückt ist unser Problem kein externes, sondern ein internes. Es ist wahr, dass unser Umfeld und unsere Natur dazu beitragen können, dass unser Problem uns zur Verzweiflung bringt; aber sie verursachen es nicht. Unser Problem wohnt in unseren korrupten Herzen. George Swinnock beschreibt dieses Dilemma treffend.
Swinnock zeigt, dass die Erbsünde den Verstand »verdorben«, den Willen »pervertiert« und die Gefühle »verführt« hat. Kurz, die Erbsünde hat »den ganzen Menschen gefesselt«. Was meint er damit? Als Adam im Garten Eden gesündigt hatte, wurde die Ebenbildlichkeit Gottes beschädigt. Das bedeutet, dass Adam Erkenntnis, Gerechtigkeit und Heiligkeit verlor. Dieser Verlust hatte die eben aufgezeigte negative Auswirkung auf Adams [seelische] Bereiche, auf seinen Verstand, seinen Willen und seine Gefühle. Was genau meint Swinnock damit, wenn er von »verführten« Gefühlen spricht? Einfach ausgedrückt: Die Gefühle sind der gesinnungsmäßige Antrieb der Seele – ihre Neigungen oder Abneigungen zu jeder beliebigen Sache.
Aufgrund unserer »gefesselten« Gefühle hat die Sünde die Herrschaft über uns. Manchmal ist diese Herrschaft offensichtlich, was bedeutet, dass wir die sichtbaren Auswirkungen und Konsequenzen erleben. Zu anderen Zeiten jedoch ist die Herrschaft der Sünde nicht so offenkundig. Sie ist geheim und versteckt. Aber sie ist genauso real, genauso mächtig und ebenso böse. Die Selbstliebe verdirbt unsere Gedanken, Worte und Taten.
Weil die Sünde die Herrschaft über uns ausübt, sind wir hilflos, unfähig, uns selbst zu verändern. Im Garten Eden besaß Adam noch die Freiheit, das zu wählen, was er wollte. Wir besitzen immer noch gewissermaßen diese Freiheit. Das Problem ist jedoch, dass unser Verstand und Wille von Neigungen regiert werden, die das Böse dem Guten vorziehen. Wir sind selbstbezogen anstatt auf Gott bezogen. Die Folge davon ist, dass unser »freier Wille« unter der Knechtschaft der Sünde ist (Eph. 2,1-2; 4,17-18). Um es anders auszudrücken: Wir sind so von der Sünde gefangen genommen, dass wir keine eigene Kraft haben, vor ihr zu fliehen. Aus diesem Grund brauchen wir Hilfe, außerhalb von uns selbst.
Das Mittel der Veränderung: der Verstand
Aber wie genau prägt der Heilige Geist uns mit den »Vorzüglichkeiten« Gottes? Die Puritaner lehrten, dass der Heilige Geist dazu Mittel gebraucht. Gott ist die Quelle aller Erkenntnis; aber Er verleiht uns Erkenntnis durch bestimmte Mittel. Wenn wir Gottes Wort studieren, erforschen wir seine Bedeutung. Wir stellen fest, wie wir Gottes Flüche und Seine Verheißungen mit Seinen Werken der Vorsehung vergleichen. Wir sinnen suchend nach über das Licht der Wahrheit für unsere Seelen. Diese Herangehensweise an die Schrift ist das Mittel, durch das der Heilige Geist unsere geistlichen Augen erleuchtet (Eph. 1,18).
Richard Sibbes lehrt, dass wir schnell die Sicht von der Größe, Gerechtigkeit und Güte Gottes, der Majestät Christi, der Notwendigkeit der Gnade und der Realität der Ewigkeit verlieren, wenn unsere Gedanken nicht mit Gottes Wort ausgefüllt sind. Als Resultat verlieren unsere Gefühle die Ordnung, unser Verstand verliert seinen Fokus auf Gott und unser Wille wählt die Sünde. Aus diesem Grund war für die Puritaner das Lesen und das Nachsinnen über die Heilige Schrift von höchster Wichtigkeit. Es ging ihnen dabei nicht nur um ein verstandesmäßiges Lesen und Studieren der Schrift, sondern ein zielgerichtetes Lesen und Studieren derselben. Das Ziel dabei ist die Verinnerlichung von Gottes Wort. Es beinhaltet ein Nachsinnen und Nachdenken über den biblischen Text, wodurch der Verstand, der Wille und die Gefühle von der Wahrheit des Wortes Gottes ergriffen werden. Swinnock definiert es als »ein ernstliches Anwenden des Verstandes auf einen heiligen Gegenstand, bis die Gefühle erwärmt und erquickt sind und die Vorsätze erhöht und gestärkt sind gegen das, was böse ist, und für das, was gut ist.«
Entnommen aus der Broschüre »Die verändernde Kraft des Evangeliums aus der Sicht der Puritaner«, 3L Verlag