»Vater, Ich will, dass die, welche Du Mir gegeben hast, auch bei Mir seien, wo Ich bin, damit sie Meine Herrlichkeit schauen, die Du Mir gegeben hast.« (Johannes 17,24)
Der Herr Jesus betet im hohepriesterlichen Gebet auch für die Jünger und vor allem, dass sie Seine Herrlichkeit erkennen können. Dabei bringt Er Seine Bitten in folgerichtiger Reihenfolge hervor. Er beschreibt zuerst die Art und Weise, wie Er die Jünger am Anfang ihrer geistlichen Pilgerreise zum Glauben geführt hat. Dann legt Er dar, wie Er – treu Seines irdischen Dienstes – bei ihnen war und ihren Glauben genährt und gefördert hat. Anschließend betet Er für die Bewahrung ihres Glaubens während Seiner Abwesenheit. Als Nächstes geht es Ihm um ihre Aussendung in die Welt und die Notwendigkeit anhaltender Heiligung. Danach betet Er für die Wirksamkeit ihres Zeugnisses, damit die Generationen nach ihnen im Lauf der Jahrhunderte, durch ihre Worte zum Glauben kommen. Und nun, am Ende Seines Gebets, freut Er sich auf die Vollendung, wenn alle diejenigen, die Ihm gehören, in der Herrlichkeit Seiner ewigen Gegenwart ankommen werden. Der das gute Werk in ihnen begonnen hat, wird es auch vollenden.
Deshalb betet Er nun für die Vollendung der Heiligkeit der an Ihn Glaubenden. Er betet nicht, dass sie aus der Welt in den Himmel genommen werden, obwohl das letztendlich mit inbegriffen ist. Er betet: „Vater, Ich will, dass die, die Du Mir gegeben hast, auch bei Mir seien, wo Ich bin.“ Er betet nicht einfach: „… damit auch sie da sind, wo Ich bin.“ Die Liebe Gottes kann es nicht so unklar belassen; sie muss es präzisieren: „bei Mir seien, wo Ich bin“. Die Liebe Christi wird sich nicht zufrieden geben, bis jeder Gläubige für immer bei Ihm sein wird.
Bei der Bitte, dass all die Seinen letztlich bei Ihm sein werden, hat Christus eine weitere Absicht: „damit sie Meine Herrlichkeit schauen, die Du Mir gegeben hast.“ Das ist die Herrlichkeit, von der unser Herr am Anfang Seines Gebets gesprochen hat – die Herrlichkeit nämlich, die Er beim Vater hatte, ehe die Welt war. Der Anblick dieser Herrlichkeit – auch wenn sie uns unvorstellbar scheint – wird uns klar vor Augen führen, was wir jetzt nur undeutlich erkennen: Den Reichtum, den Er hatte, hat Er verlassen, damit Er um unsertwillen arm würde und wir durch Seine Armut reich würden. (2. Kor. 8,9).
Doch wenn Christus darum bittet, dass wir Seine Herrlichkeit erkennen können, die Er vor der Erschaffung der Welt hatte, gehen die Gedanken des Herrn in eine etwas andere Richtung. Diese Herrlichkeit war der Ausdruck und das Maß der Liebe des Vaters zu Ihm. Deshalb müssen wir diese Herrlichkeit erkennen. Denn wenn wir diese unermessliche Herrlichkeit erkennen, werden wir beginnen, die unendlich große Liebe des Vaters zu Seinem Sohn zu erfassen.
Von John Owen (1616-1683)
„Allein das Schauen Seiner Herrlichkeit, und nichts anderes, vermag Gottes Volk wahrhaft zu befriedigen. Das Herz des Gläubigen gleicht einer Kompassnadel, die keine Ruhe findet, bis sie nach Norden zeigt. So wird auch ein Gläubiger, magnetisch angezogen von der Liebe Christi, keine Ruhe finden, bis er bei Christus ist und Seine Herrlichkeit sieht. Die Seele aber, die ohne das Schauen der Herrlichkeit Christi zufrieden ist, die sich nicht nach der ewigen Glückseligkeit dieses Anblicks sehnt, gehört nicht zu den Seelen, für die Christus betet.
Wir können also eine großartige, entscheidende Aussage machen: Zu den größten Vorrechten des Gläubigen gehört – sowohl in dieser Welt wie auch in der Ewigkeit – das Sehnen nach der Herrlichkeit Christi. Darum betet Christus: ‚…dass sie Meine Herrlichkeit sehen‘. Und dieses herrliche Vorrecht soll nicht nur auf den himmlischen Zustand des Gläubigen beschränkt sein. Es gilt für ihn bereits auf dieser Erde, wie ich zeigen werde.
Wir brauchen Gnade zur Vorbereitung für die Herrlichkeit; wir brauchen Glauben, um zu schauen. Eine Seele, die weder durch Gnade noch durch Glauben vorbereitet ist, wird nicht fähig sein, die Herrlichkeit Christi im Himmel zu sehen. Viele mögen mit Überzeugung sagen, sie wünschten bei Christus zu sein, um Seine Herrlichkeit zu sehen. Doch wenn man nachfragt, wissen sie keinen Grund anzugeben, es sei denn, sie meinen, es sei besser, in den Himmel als in die Hölle zu kommen. Ein Mensch, der behauptet, das zu lieben und zu begehren, was er noch nie gesehen hat, betrügt sich selbst.
Wir alle halten uns von Natur aus passend für die ewige Herrlichkeit. Wie unpassend wir in Wirklichkeit sind, das machen sich die meisten von uns deshalb nicht klar, weil sie ganz einfach keine Erfahrung mit der himmlischen Herrlichkeit Christi haben. Die Menschen werden nicht kurzerhand – gewollt oder ungewollt – mit der Herrlichkeit überkleidet werden. Sie wird einzig im Glauben empfangen. Doch der gefallene Mensch ist unfähig zu glauben.
Darum sagt Paulus dem Vater Dank, denn Er hat uns ‚fähig gemacht zum Anteil als Erbe der Heiligen im Licht‘ (Kol 1,12). Durch das Anschauen der Herrlichkeit Christi werden wir ‚verwandelt in dasselbe Bild‘ (2. Kor 3,18). Im Anschauen der Herrlichkeit Christi machen wir die ersten Erfahrungen mit der ewigen Glückseligkeit unseres himmlischen Zustandes. Wir werden ‚allezeit beim Herrn sein‘ (1. Thess 4,17). Wir werden ‚bei Christus‘ sein, was könnte es Besseres geben (Phil 1,23)?! Und indem wir Ihn sehen, wie Er ist, werden wir ‚Ihm gleich sein‘ (1. Joh 3,2). Das aber ist unsere ewige Glückseligkeit.
Darum wird die Schau, die wir einst von Gott haben werden, stets ‚im Angesicht Jesu Christi‘ sein (2. Kor 4,6). Im Angesicht Christi werden wir die Herrlichkeit Gottes in Seinen unendlichen Vollkommenheiten erkennen. Sie werden unsere Seele erleuchten und uns auf ewig mit Frieden, Ruhe und Herrlichkeit erfüllen.“
Der Autor dieses Buches beschreibt die Herrlichkeit Christi, als hätte er sie persönlich gesehen. John Owen zeigt, wie jeder Christ diese Herrlichkeit schon jetzt erleben und sich von ihr erfüllen lassen kann. Auf jeder Seite dieses Buches spürt man Owens tiefe Liebe zu Christus. Seine Ausführungen wollen uns dahin führen, dass wir von der Sehnsucht nach Gott angesteckt werden, der Sehnsucht, Christus besser kennenzulernen, Seine Herrlichkeit deutlicher zu sehen und Ihm mit größerer Treue zu dienen. Mögen viele Leser in diesem Buch einen verborgenen Schatz der Literatur entdecken, nach dem sie wieder und wieder greifen, um aus ihm Belehrung und geistliche Ermutigung zu schöpfen!
Buch Rezension „Die Herrlichkeit Christi“ – John Owen