Mein Glaubenszeugnis
Dank der gütigen Vorsehung Gottes bin ich im Januar 1984 als zweites von drei Kindern in eine treue und liebevolle christliche Familie hineingeboren worden. Mein Vater war zunächst Zimmermann, doch wurde er zum Pastor berufen und diente nach einem kurzen Bibelstudium in einer Baptistengemeinde. Meine Eltern vermittelten mir und meinen beiden Geschwistern leidenschaftlich das Evangelium, und wir freuten uns an ihrer kreativen Art, uns die Geschichten der Glaubenshelden in der Bibel und die Wunder Jesu zu erzählen. Da wir als Familie viel umziehen mussten und in unterschiedlichen Städten wohnten, tat ich mich sehr schwer, Kontakte zu anderen aufzubauen, und wurde einerseits sehr introvertiert und schüchtern, andererseits aber auch sehr egoistisch und stolz, worunter hauptsächlich meine Geschwister zu leiden hatten. Ich hielt mich selbst aber für besonders gut und tugendhaft. Wenn Gott auf mein Leben schaut, so dachte ich mir, müsste er schon sehr zufrieden sein und mich als »lieben Jungen« ansehen.
Doch noch in Kinderjahren drang es mir zum ersten Mal ins Herz, dass Jesus weit mehr ist als ein Held vergangener Zeiten. Nachdem ich meine Mutter wegen Kleinigkeiten unnötig angelogen hatte, war mein Gewissen so sehr belastet, dass ich kaum schlafen konnte. In mir wuchs die schmerzhafte Erkenntnis, dass ich überhaupt nicht gut bin und Gott gar keinen Grund hat, mit Wohlgefallen auf mich zu schauen, sondern dass mein ganzes Herz voll von sündigen Gedanken ist und es sich in lieblosen und betrügerischen Worten und Taten äußert. Ja, der Herr offenbarte mir in dieser Zeit, dass ich einen Retter brauchte, und dass Jesus der Einzige ist, der mich aus dem Schmutz meines Herzens und der Schwere meiner Sünden herausretten kann. Ich verstand, dass Jesus für meine Schuld am Kreuz sterben musste und dass ich Ihm im Glauben nahen kann, da Er auferstanden ist und lebt. Mit kindlichem Vertrauen lernte ich, um Vergebung zu beten, und ich erinnere mich an das große Bedürfnis, echte Gemeinschaft mit Jesus zu haben und auf Sein Wort zu hören.
Meine Eltern bezeugten später, dass meine Einstellung und mein Charakter sich in jener Zeit verändert haben. Ich ging liebevoller mit meinen Geschwistern um und war erfüllt von dem Wunsch, Jesus in meinem Leben wirken zu lassen. Nun hörte ich die Geschichten von David, Gideon und Paulus nicht mehr bloß wegen der Spannung, sondern ich sehnte mich danach, so von Gott gebraucht zu werden, wie Er sie zur Ehre Seines Namens gebrauchte. Die Gewissheit, dass Jesus nun in meinem Herzen sei, gab mir Mut, und ich führte mit meinem kleinen Bruder erste »theologische Diskussionen« über die Frage, wo denn Jesus in seinem Leben sei, wenn Er noch nicht in seinem Herzen ist. Schon in der ersten Klasse erzählte ich meinem Freund von Jesus und diskutierte über die Unmöglichkeit, keine Sünde zu begehen, wie es dessen Vater behauptete.
In der zweiten Schulklasse mussten wir dann wieder umziehen, da mein Vater in einer Baptistengemeinde in der Nähe von Bremen dienen sollte. Dieser erneute Umbruch war eine sehr große Herausforderung für mich, und es fiel mir schwer, meine Freunde und die vertraute Umgebung zu verlassen. In der neuen Stadt bemerkte ich, wie sehr meine Anschauungen sich von denen meiner Klassenkameraden unterschieden. Sie liebten es, andere zu ärgern, über sie zu lästern oder einige zu demütigen. Da ich versuchte, auch zu den weniger beliebten Schülern freundlich zu sein, gewann ich kaum wirkliche Freundschaften in der Klasse und war sehr einsam und isoliert.
Dennoch hatte ich weiter großes Interesse an biblischen Themen, lernte, selbst in der Bibel zu lesen, und wurde von einer Predigt sehr bewegt, in der es darum ging, dass Christus in unserem Leben regieren muss und wir dies in der Taufe ausdrücken. Ich ließ mich daraufhin taufen und erlebte eine neue Freude am Herrn. Doch auch in der Gemeinde waren keine Altersgenossen, mit denen ich Gemeinschaft haben könnte. Ich litt zunehmend unter diesen Umständen und bat Gott oft um einen Freund, der mich versteht, einen Freund, wie es Jonathan für David war.
Doch die Jahre vergingen, und es änderte sich kaum etwas. Während viele meiner Klassenkameraden auf ihren Partys feierten, war ich über Gottes Schweigen sehr frustriert. In meinem Herzen machte sich Bitterkeit breit. Ich wollte nicht länger allein und traurig sein. Darum beschloss ich mit 14 Jahren, meine moralischen Schranken fahren zu lassen, und nahm an all dem teil, was meine Schulkameraden auch taten. Innerhalb kürzester Zeit änderte sich meine Position vollständig. Plötzlich gehörte ich zu den coolen, beliebten und bewunderten Jungs in meinem Jahrgang. Die Wochenenden füllte ich immer mehr mit Feiern und Rausch, bis ich mein Abitur machte. Während dieser Jahre, in denen ich äußerlich so »erfolgreich« war, fühlte ich eine wachsende Leere in mir.
Mehrmals wurde ich von meinen Eltern ermahnt, Buße zu tun. Sogar meine Schwester wies mich warnend auf meine bösen Wege hin. Einige Male wurde ich mit Versen aus der Bibel konfrontiert, aus denen ich so klar verstand, dass Gott mich durch Sein Wort zur Umkehr ruft. Doch anstatt mich zu Christus zu wenden, versuchte ich wie Jona, weiterhin zu fliehen. Ich war mir bewusst, wie sehr mein Leben Gott missfiel, und es gab mehrere Gelegenheiten, in denen ich von meiner Sünde sehr überführt wurde und weinte. Und doch kehrte ich immer wieder zu meinem sündigen Lebensstil zurück. Mit der Zeit bemerkte ich die falschen Versprechen und die schmerzhaften Konsequenzen meines Verhaltens. Mir wurde schmerzlich bewusst, dass sich in meinem Leben etwas ändern muss. In meiner Suche nach Freiheit und Freundschaft baute ich mir doch nur mein eigenes Gefängnis, verletzte die Gefühle anderer und machte mein eigenes Herz gefühlskalt.
Durch Gottes wunderbare Gnade konnte ich meinen Zivildienst in Denia, Spanien, als Volontär eines christlichen Freizeitzentrums machen. In Gottes gnädiger Vorsehung war ein frommer Mann über die Volontäre gesetzt, der das Wort Gottes liebte. Er belehrte uns internationale Mitarbeiter jeden Morgen 30 bis 45 Minuten aus der Bibel. Nach einiger Zeit gefiel es Gott, mein trotziges Herz mittels dieser treuen Schriftauslegungen neu zu füllen, sodass ich anfing, die Bibel auch für mich allein in meinem Zimmer zu lesen. An einem Abend betete ich zu Gott und bat Ihn unter vielen Tränen, mir meine vielen Sünden zu vergeben, die ich trotz besseren Wissens so treulos angehäuft hatte. Wie der verlorene Sohn fühlte ich meine eigene Unwürdigkeit, und mit Furcht und Scham bat ich den Herrn, doch mein Leben zu verändern und zu heiligen, da ich in mir selbst keine Kraft dazu fände.
Trotz so mancher Versuchungen öffnete Gott mir in Spanien erneut das Herz für die Schätze Seines Wortes. Ich hatte auf einmal große Freude am Gebet, am Wort und daran, dem Herrn zu singen. Ich fühlte eine Fröhlichkeit und Leichtigkeit, wie ich sie lange nicht mehr gehabt hatte. Durch die Gnade Gottes konnte ich von einem Tag auf den anderen mit vielen sündigen Gewohnheiten brechen, samt einigen Süchten. Die anderen Mitarbeiter fragten mich, was denn mit mir geschehen sei, da sie in mir eine Freude wahrnahmen, die sie bei mir zuvor nicht erlebt hatten, und sie erfuhren, wie zügig ich in der Heiligung vorankommen durfte. Doch wenn mich jemand fragte, wie es zu dieser Veränderung in meinem Leben gekommen sei, dann dachte ich über mein Leben und die jüngsten Entwicklungen nach und sagte entschlossen (obwohl ich noch nichts von reformierter Theologie wusste): »Das war Gott allein, Er hat mich gezogen. Er hat mich nicht weiterhin in die Sünde gehen lassen.«
Von da an las ich mit großem Eifer die Bibel, und es schien, als brächte der Heilige Geist all die Erkenntnisse und Verbindungen wieder zurück in meinen Sinn, die ich in der Zeit der Ignoranz so sehr zurückgedrängt hatte. Auch ermutigte mich der Leiter der Volontäre, meine Einsichten in den wöchentlichen Andachten im Team mitzuteilen. Ich war sehr überrascht und fühlte mich von dieser Aufgabe völlig überfordert, wollte jedoch nicht ungehorsam sein, wenn dies Gottes Wille sei. Also wagte ich mich an die ersten Andachten heran und legte einige geistliche Prinzipien aus dem Leben Gideons aus. Unter anderem ging es darum, wie es Gott gefällt, durch unsere Schwachheit Seine Größe und Macht zu demonstrieren.
Als ich eines Tages einem erkrankten Freund einige Gedanken aus dem 1. Timotheusbrief weitergab, las ich in Kapitel 4,12-13: »Niemand verachte dich wegen deiner Jugend, sondern sei den Gläubigen ein Vorbild im Wort, im Wandel, in der Liebe, im Geist, im Glauben, in der Keuschheit! Bis ich komme, sei bedacht auf das Vorlesen, das Ermahnen und das Lehren.« Diese Verse trafen mich in diesem Moment zutiefst. Mir war es, als würde hier nicht Paulus an Timotheus schreiben, sondern Christus direkt zu meinem Herzen reden. Ich verstand es als inneren Ruf, und in mir wuchs das tiefe Verlangen, mein Leben zur Ehre Christi dem Dienst am Evangelium zu widmen.
Mein treuer Herr musste mich noch viele Male demütigen. So machte ich die äußerst schmerzhafte Erfahrung, dass ich zwar viele äußerliche Sünden schnell ablegen konnte, doch dass in meinem Herzen weiterhin noch so einige hartnäckige Sünden lagerten. Der Herr musste meinen Stolz öfters brechen, was mich sehr beschämte. Irgendwie hatte ich erwartet, von nun an »erfolgreicher« voranzuschreiten, doch mit Tränen und Schmerz über die eigenen Sünden kam ich wieder und wieder zu dem barmherzigen Hohenpriester Jesus Christus und durfte die Treue Seiner Gnade erleben. Beschämt verstand ich meine absolute Abhängigkeit von der mir zugerechneten Gerechtigkeit Christi, von Seiner Vergebung und Seiner Heiligung in meinem Leben, und ich staunte über die Tiefen Seiner Gnade.
Zurück in Deutschland, fing ich zunächst eine praktische Ausbildung an, damit ich mein Leben neu ordnen und mich verantwortlich und treu in der Gemeinde einbringen konnte. Auf diese Weise wollte ich prüfen, ob der Ruf wirklich vom Herrn war und die Geschwister in der Gemeinde eine Begabung durch den Herrn bei mir bestätigen könnten. In der Gemeinde brachte ich mich in der Jugendarbeit und in Hauskreisen ein, leitete öfters den Gottesdienst und durfte in meiner Heimatgemeinde auch die ersten Predigten halten. Mit der Zeit durfte ich mehrere Predigtdienste auch in anderen Gemeinden, die keinen Prediger hatten, ausführen. In dieser Zeit gefiel es Gott, mir die Augen des Herzens immer weiter zu öffnen: für Gott den Vater, der absolut souverän ist und erhaben über alles herrscht, für den Sohn, der durch Sein Opfer am Kreuz ruhmreich das Werk der Erlösung Seines Volkes vollbracht hat, und für den Heiligen Geist, der Jesus Christus in Person und Werk verherrlicht durch die gott-gehauchte, völlig glaubwürdige Schrift und Seine heiligende Wirkung im Gläubigen.
Nachdem ich meine Ausbildung als Mediengestalter beendet hatte, wollte ich gerne Theologie studieren. Mit der Ermutigung und Bestätigung der Gemeindeleitung begann ich 2007 das Theologiestudium in dem einzigen baptistischen Seminar in Deutschland, nah bei Berlin. Von dem Studium erwartete ich eine Vertiefung in biblischer Erkenntnis und Reife im geistlichen Leben. Aber zu meinem großen Entsetzen war selbst das baptistische Seminar sehr liberal und bibelkritisch, wie ich es mir nicht hätte vorstellen können.
Doch Gott schenkte mir in dieser Zeit zwei treue Freunde, die ebenfalls der Wahrheit der Schrift glaubten, und wir trafen uns jeden Tag frühmorgens vor dem Unterricht, um gemeinsam die Bibel zu studieren und intensiv zu beten. Diese Zeit des gemeinsamen Studiums hat bei mir viel mehr zur biblischen Erkenntnis und geistlichen Reife beigetragen als das Studium selbst. Vor allem entdeckten wir durch den persönlichen Austausch über die Bibeltexte ganz neu Themen wie: die Erwählung, das Ausmaß der Gnade, die Wirksamkeit des Sühneopfers, die Grundlage für die Heilsgewissheit usw. Bis dahin kannten wir nur eine arminianische Auslegung des Evangeliums und wussten nichts von reformierter Theologie. Sie war in Deutschland schlichtweg nicht präsent.
Dieses »eigentliche Bibelstudium« neben den liberalen Vorlesungen lehrte uns, den unschätzbaren Trost der Souveränität Gottes und die Tiefe der Gnadenlehren zu erkennen und zu schätzen. Es war für uns durchaus eine großartige Sache, zu verstehen, dass Spurgeon und Whitefield und die Puritaner so einen klaren Schwerpunkt auf die reformierte Lehre legten. Wir versuchten auch, die Mitstudenten positiv zu beeinflussen und sie auf die Gefahren der liberalen Theologie aufmerksam zu machen. Wir stellten im Unterricht viele Fragen und gaben biblische Perspektiven, wie vermeintliche Widersprüche in der Bibel erklärt werden können. Doch die meisten Studenten wollten es nicht hören. Sie belächelten uns. Einige Professoren ärgerten sich sogar über uns und machten sich in üblem Sarkasmus über uns lustig. Doch der Herr gebrauchte gerade diese Demütigungen zum Segen, auch für andere.
Außerdem lernte ich in dieser Zeit meine liebe Dominique kennen. Sie erlebte von Anfang an meine geistlichen Kämpfe mit und folgte mir zu der konservativsten Gemeinde, die ich in Berlin finden konnte: eine offene Brüdergemeinde. Die gesamte Gemeindesituation in Berlin war – zumindest damals – überaus enttäuschend. In der Brüdergemeinde wurden wir herzlich aufgenommen, und ich durfte dort ebenfalls durch Predigten, Gottesdienstleitungen und vereinzelte Bibelstunden dienen.
Nach fünf Jahren schloss ich 2012 das Studium mit einem MA in Evangelischer Theologie ab. Doch Dominique und ich verließen den Bund der deutschen Baptisten, da wir über den geistlichen Niedergang in der Ausbildungsstätte und in der zentralen Leitung so betrübt waren, dass wir nicht länger in dieser Verbindung bleiben konnten. Ich ging mit einem treuen Bruder zu der einzigen Reformierten Baptistengemeinde in Deutschland, die wir ausfindig machen konnten. Es war eine kleine Gemeinde, die drei Jahre zuvor gegründet worden war und aus ca. vier Familien bestand. Wir wollten dort dienen und dann ausgesandt werden, um eine neue Gemeinde zu gründen.
Wir gingen mehrmals die Woche hinaus, um auf der Straße und von Haus zu Haus zu evangelisieren und das Evangelium bekannt zu machen. Wir besuchten die Asylantenheime und sprachen mit vielen Menschen, die das Evangelium noch nie gehört hatten. Zwei Syrer ließen sich sogar auf den Glauben hin taufen und wurden Gemeindeglieder. Auch starteten wir eine wöchentliche Bibelstunde, um auf eine Gemeindegründung hinzuarbeiten.
Doch nach einigen Monaten trat der dortige Vollzeitpastor zurück, und wir halfen so gut wir konnten, die pastoralen Dienste zu erfüllen. 2013 heiratete ich Dominique. Ein Jahr später fragten die beiden verbliebenen Ältesten der Gemeinde, ob ich nicht als Pastor in der Gemeinde bleiben könnte. Unter Gebet und dem Bewusstsein, dass dies die Wegführung des Herrn sei, sagte ich zu und wurde im November 2014 nach Bestätigung vonseiten der gesamten Gemeinde und unter Handauflegung der Ältesten als Pastor eingesetzt.
Seitdem arbeite ich als Pastor der Evangelisch-Reformierten Baptistengemeinde Wetzlar (ERB Wetzlar). Meine Schwerpunkte sind: Lehre und Seelsorge. In der Regel predige ich am Tag des Herrn morgens und abends in fortlaufender Schriftauslegung. Dazu lehre ich regelmäßig in Sonntagschulklassen am Sonntagmorgen und in Gebetsstunden in der Woche. Meine Frau Dominique war und ist mir stets eine treue Gefährtin und ein wahrhaftiges Geschenk des Herrn. Sie mag es nicht, im Mittelpunkt zu stehen, beweist aber eine unglaublich große Kraft und Dienstbereitschaft im Verborgenen. Und ich weiß, unser Vater im Himmel sieht in das Verborgene. Der Herr hat uns drei Mädchen und zwei Jungen geschenkt: Jael, Hannah, Jonathan, Noah und Junia, die uns große Freude bereiten und uns herausfordern, Sündern in dieser Welt die Wahrheit und Liebe Gottes zu lehren und vorzuleben. Wir haben einen Gott, der mächtig ist zu retten. Ihm allein sei die Ehre!