Ein Bibelleseplan von Robert Murray M’Cheyne

8 Dezember, 2021

Kategorie: Erbauung

Ein Bibelleseplan von Robert Murray M’Cheyne

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Liebe Christen, das Herannahen eines neuen Jahres weckt in mir neue Sehnsüchte nach eurem geistlichen Wachstum. »Denn Gott ist mein Zeuge, wie mich nach euch allen verlangt in der herzlichen Liebe Jesu Christi« (Phil. 1,8). Wer vermag zu sagen, was das kommende Jahr bringen wird?! 

Es liegt ganz offensichtlich eine schwere Last auf den Herzen wahrer Christen im Lande, die Erwartung eines fremdartigen Werkes Gottes im Gericht über dieses Land (Jes. 28,21). Es ist notwendig, sich jetzt die ernste Frage zu stellen: »Und wenn du dich nur in einem friedlichen Land sicher fühlst, was willst du tun im Dickicht des Jordan?« (Jer. 12,5). 

Solche Gläubige werden am standhaftesten sein, die sich nicht auf sich selbst oder auf andere Menschen verlassen, sondern auf den Herrn, unsere Gerechtigkeit (Jer. 23,6; 33,16; Jes. 45,24; 1.Kor. 1,30). 

Wenn wir fähig sein wollen, am bösen Tag zu widerstehen (Eph. 6,13), dann müssen wir uns wieder mehr zu unseren Bibeln und zum Gnadenthron hinwenden (Hebr. 4,16). Denn nur so werden wir wie der Psalmdichter sagen können: »Die Frechen haben mich arg verspottet; dennoch bin ich von Deinem Gesetz nicht abgewichen« (Ps. 119,51). »Fürsten verfolgen mich ohne Ursache; aber vor Deinem Wort fürchtet sich mein Herz« (Ps. 119,161). 

Lange schon hatte ich im Sinn, einen Bibelleseplan zu entwerfen, der es so vielen, wie Gott dazu bereit macht, ermöglichen sollte, die ganze Heilige Schrift einmal im Jahr durchzulesen, so dass alle zur gleichen Zeit den gleichen Anteil an Nahrung von der grünen Weide zu sich nehmen. 

Ich bin mir durchaus bewusst, dass ein solcher Plan mit zahlreichen Gefahren behaftet ist:

1. Formsache

Wir sind so schwache Geschöpfe, dass jede regelmäßig wiederkehrende Pflicht leicht zu einer leblosen Form verkommen kann. Die Tendenz, Gottes Wort nach einer festgelegten Regel zu lesen, kann bei manchen dazu führen, dass diese Art von Religiosität entsteht. Das wird die besondere Sünde der letzten Tage sein: »… [sie] haben den äußeren Schein von Gottesfurcht, deren Kraft aber verleugnen sie.« (2.Tim. 3,5). Hütet euch davor! Verzichtet lieber auf den Plan, als dass er eure Seelen verrosten lässt.

2. Selbstgerechtigkeit

Mancher mag dazu versucht sein, sich selbstgefällig zu betrachten, wenn er seine festgelegte Zeit dem Lesen des Wortes Gottes gewidmet und den vorgeschriebenen Teil gelesen hat. Ich bin überzeugt, dass manche von denen, die ihre persönliche Stille Zeit und die Familienandacht halten, trotzdem ohne ein Werk Gottes an ihrer Seele leben, ohne Heiligung und geistliches Wachstum davon gehen. Das bedeutet, dass sie mit einer Lüge leben.

3. Unachtsames Lesen

Nur wenige zittern vor dem lebendigem Wort Gottes. Wenige vernehmen beim Lesen die Stimme des Herrn, die voller Majestät ist. Manche, die eine so große Portion vor sich haben, könnten versucht sein, dessen überdrüssig zu werden, wie Israel es bezüglich des täglichen Mannas war und sagte: »Unsere Seele hat einen Ekel vor dieser elenden Speise!« (3.Mo. 21,5), sodass sie das Wort Gottes in einer oberflächlichen und nachlässigen Weise lesen. Das wäre eine furchtbare Beleidigung Gottes. Nehmt euch in Acht, dass folgendes Wort nicht auf euch zutrifft: »Und ihr sagt: ›Siehe, ist es auch der Mühe wert?‹, und ihr verachtet ihn [Meinen Namen], spricht der HERR der Heerscharen« (Mal. 1,11-13).

4. Ein Joch, das einem zu schwer zu tragen ist

Manch einer liest eine Zeit lang mit Eifer und empfindet es dann als eine Last, die schwer zu tragen ist. Sie mögen feststellen, dass ihr Gewissen sie zu dieser vorgegebenen Aufgabe drängt, ohne dass sie die himmlische Speise genießen können. Falls das bei jemandem der Fall ist, dann wirf die Fessel ab und nähre dich in Freiheit in dem lieblichen Garten Gottes. Mein Anliegen ist es nicht, euch eine Schlinge um den Hals zu legen, sondern ein »Gehilfe eurer Freude« zu sein (2.Kor. 1,24).

Wenn es aber so viele Gefahren gibt, warum sollte man dann überhaupt ein solches System empfehlen? Darauf antworte ich, dass die besten Dinge mit Gefahren einhergehen, so wie die schönsten Blumen häufig in den Klüften eines gefährlichen Abgrunds gepflückt werden. 

Lasst uns deshalb die Vorteile abwägen:

1. Die ganze Heilige Schrift wird in geordneter Weise im Laufe eines Jahres durchgelesen, das Alte Testament einmal, das Neue Testament und die Psalmen zweimal. 

Ich befürchte, dass viele von euch nie die ganze Bibel lesen; und dabei ist doch jeder Teil davon gleichermaßen von Gott eingegeben. »Alle Schrift ist von Gott eingegeben und nützlich zur Belehrung, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes ganz zubereitet sei, zu jedem guten Werk völlig ausgerüstet« (2.Tim. 3,16-17). Wenn wir einige Teile der Schrift übergehen, werden wir nicht die vollkommene Reife in Christus erreichen (Eph. 4,13).

2. Es wird keine Zeit mit der Auswahl der zu lesenden Abschnitte verschwendet. 

Oft sind die Gläubigen ratlos, zu welchem Teil der »Balsamberge« sie ihre Schritte lenken sollen (Hl. 8,14). Diese Frage wird hier (durch den Bibelleseplan) auf sehr einfache Weise sofort gelöst.

3. Die Eltern werden ein regelmäßiges Thema haben, anhand dessen sie ihre Kinder belehren können. 

Es ist sehr zu wünschen, dass die Familienandacht lehrreicher gestaltet würde, als sie es im Allgemeinen ist. Das bloße Lesen des Kapitels gleicht oft zu sehr dem Verschütten von Wasser auf den Boden. Es sollte jeder für sich lesen; es sollte aber auch mit der Familie gemeinsam gelesen und danach die Bedeutung und Anwendung besprochen werden. Der Bibelleseplan wird dabei hilfreich sein. Auch Freunde werden bei ihren Treffen in den an diesem Tag gelesenen Abschnitten ein Thema für ein gewinnbringendes Gespräch haben. Die Bedeutung schwieriger Bibelstellen kann von reifen Christen erfragt oder in Studienhilfen (wie z. B. einer Studienbibel) nachgeschlagen werden, und der Wohlgeruch der einfacheren Stellen wird verbreitet.

4. Der Prediger weiß dann, von welchem Teil der Weide sich seine Herde gerade ernährt. 

Auf diese Weise wird er in der Lage sein, am Tag des Herrn (dem Sonntag) passender zu ihnen zu sprechen, und die Pastoren werden bei ihren Hausbesuchen viel besser ein Wort des Lichtes und des Trostes weitergeben können, auf das man leichter eingehen kann.

5. Das Band der christlichen Liebe und Einheit wird dadurch gestärkt werden. 

Wir werden oft dazu angeregt werden, an unsere lieben Brüder und Schwestern im Herrn zu denken, die sich bereit erklären, mit uns diese Abschnitte zu lesen. Dadurch werden wir öfter dazu veranlasst werden, miteinander auf der Erde übereinzukommen, wenn es um etwas geht, das wir von Gott erbeten wollen. Wir werden über dieselben Verheißungen beten, über dasselbe Versagen klagen, Gott mit denselben geistlichen Liedern loben und uns von denselben Worten ewigen Lebens nähren lassen.

Robert Murray M’Cheyne,
Dezember 1842


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Ein Bibelleseplan von Robert Murray M’Cheyne

von Sam Derksen Lesezeit: 5 min