Umgang mit Kritik im Dienst

22 Januar, 2025

Kategorie: Erbauung

Thema: Ermahnung

Umgang mit Kritik im Dienst

KONSTRUKTIVE KRITIK AN ANDEREN ÜBEN

Als Pastoren brauchen wir viel Weisheit, um die turbulenten Gewässer gerechter und ungerechter Kritik, die an uns herangetragen wird, zu durchschiffen. Aber es ist ebenso unerlässlich, dass wir lernen, wie wir andere in konstruktiver Weise zurechtweisen können. Die Prediger sollten geheiligte Werkzeuge für kritische Auseinandersetzungen sein, nicht nur Zielscheiben. 

Die Berichte der Evangelien über das irdische Wirken Christi sowie die Briefe sind voll von Konflikten. Ein großer Teil des Wirkens Jesu und Seiner Apostel bestand darin, die Menschen zur Ehre Gottes mit ihrer Sünde zu konfrontieren und sie zurechtzuweisen. Paulus erklärt, dass das von Gott eingegebene Wort »nützlich [ist] zur Belehrung, zur Überführung, zur Zurechtweisung, zur Erziehung in der Gerechtigkeit« (2.Tim. 3,16). Wir nutzen die Heilige Schrift gern »zur Belehrung« und »zur Erziehung in der Gerechtigkeit«; aber etwas in uns schreckt davor zurück, wenn es darum geht, Korrektur und Zurechtweisung zu erteilen. Doch genau das ist unsere Aufgabe: 

»Verkündige das Wort, tritt dafür ein, es sei gelegen oder ungelegen; überführe, tadle, ermahne mit aller Langmut und Belehrung!« (2.Tim. 4,2). 

Solange unser Glaubensvolk in diesem Zeitalter weiterhin Sünde in seinem Herzen duldet, braucht es diese züchtigende Anwendung des Wortes durch unsere öffentliche Predigt und persönliche seelsorgerliche Beratung.

Vielleicht gab es in der Geschichte noch nie eine Zeit, in der die Versuchung größer war, an diesem Punkt Kompromisse einzugehen. Der Relativismus ist das herrschende Dogma unserer Kultur. Wir werden toleriert, solange wir anderen nicht sagen, dass sie im Unrecht sind. Wie arrogant muss man sein, um tatsächlich zu glauben, dass man ein Monopol auf Wahrheit und Moral hat?! – ist die herrschende Meinung.

Auch wenn wir die Zurückweisung von allgemeingültigen Prinzipien verwerfen, sind wir vielleicht stärker von unserer Kultur beeinflusst, als es uns bewusst ist. Die Versuchung besteht weniger darin, eine christliche Weltanschauung abzulegen oder eine Form des relativistischen Postmodernismus zu befürworten. Vielleicht ist sie viel subtiler: »Ich kann an diesen Überzeugungen festhalten, solange ich sie anderen nicht aufzwinge. Wer bin ich denn schon, dass ich jemandem sagen will, dass er falsch liegt?!« Die Heilige Schrift sagt jedoch eindeutig, dass ein treuer Dienst darin besteht, Irrtümer in Lehre und Tat furchtlos aufzudecken, zu tadeln, zu warnen und auf den Weg Gottes zurückzurufen. Vor dieser Aufgabe zurückzuschrecken, bedeutet nichts anderes, als dass wir unsere von Gott gegebene Pflicht vernachlässigen.

Aber wie sollen wir das tun? Wir alle haben schon schroffe Pastoren erlebt, die ihre Schafe mit Vorwürfen und Zurechtweisungen regelrecht zu erdrücken schienen. Wie sieht es aus, wenn wir unsere Geschwister auf eine christliche und konstruktive Weise zurechtweisen? 

Aristoteles war zwar kein Christ, aber er hatte durch die allgemeine Gnade Einsichten, die uns an diesem Punkt hilfreich sein können. Dieser antike Rhetoriklehrer lehrte, dass überzeugende Kommunikation (er nannte es »Überzeugungsarbeit«) aus drei Elementen besteht: Ethos, Pathos und Logos. Er schreibt: »Es gibt drei Arten der Überzeugungsarbeit, die durch das gesprochene Wort geleistet wird. Die erste Art hängt vom persönlichen Charakter [ethos] des Redners ab; die zweite Art beruht darauf, die Zuhörer in eine bestimmte Gemütsverfassung zu versetzen [pathos]; die dritte Art beruht auf dem Beweis oder dem scheinbaren Beweis, der durch die Worte der Rede selbst erbracht wird [logos].«1

Konstruktive Kritik ist mehr als Überzeugungsarbeit, aber sie ist auch nicht weniger als diese. Wir versuchen, unsere Gegenüber von ihrem Irrtum zu überführen und sie zu einer Änderung zu bewegen, ja sogar zu verpflichten. Dies geschieht natürlich in der Abhängigkeit vom Heiligen Geist, der allein Herzen und Leben verändern kann. Aber wenn wir konstruktive Kritik an unseren Mitmenschen in einer Weise üben wollen, die Jesus Christus widerspiegelt, müssen wir diesen Dreiklang aus Ethos, Pathos und Logos beherrschen.

DAS ETHOS DER KRITIK

Wenn wir andere zurechtweisen, neigen wir dazu, uns fast ausschließlich auf den Logos zu konzentrieren – auf den Standpunkt, den wir vertreten, die Beweise, die unsere Kritik untermauern, und die Rechtmäßigkeit unserer Position. 

Wir können Stunden damit verbringen, die richtigen Worte zusammenzustellen und uns zu vergewissern, dass unsere Logik einwandfrei ist. Der Logos ist sicherlich wichtig. Aber selbst wenn die Worte, die wir sprechen, perfekt klingen und schlüssig sind, werden sie nicht wirken, wenn die beiden anderen Elemente der Überzeugungsarbeit fehlen. 

Wir müssen dort ansetzen, wo Aristoteles es tat, nämlich beim Ethos. Dieser Aspekt der Überzeugungsarbeit konzentriert sich nicht auf die Botschaft, sondern auf den Überbringer. Wenn wir Kritik zur Ehre Gottes üben wollen, müssen wir eine gewisse Glaubwürdigkeit besitzen. »Wir sind so beschaffen«, schreibt James Stalker, »dass das, was wir hören, in seiner Wirkung sehr stark davon abhängt, wie wir demjenigen gegenüber eingestellt sind, der es sagt.«2 Wir müssen integre Männer sein, die das Vertrauen der Menschen gewonnen haben. Als Pastoren müssen wir das sein, wozu wir berufen sind und was wir für andere zu sein vorgeben.

Ein heiliger Dienst 

Paulus ermahnte die gläubigen Sklaven, so zu leben, dass sie »die Lehre unseres Retter-Gottes in allem zieren!« (Tit. 2,10; ELB). Wir sollten das Evangelium, das wir verkünden, mit der moralischen Schönheit unserer persönlichen Heiligkeit in Christus schmücken. Unsere Integrität sollte auch unsere Kritik an anderen schmücken. Es gibt nur wenige Dinge, die schlimmer sind als ein heuchlerischer Kritiker. Wenn unsere Mitmenschen erkennen, dass wir in unserem Leben Kompromisse eingehen, wird unsere Kritik an ihnen, so aufrichtig und berechtigt sie auch sein mag, höchstwahrscheinlich auf taube Ohren stoßen. Hüte dich davor, dich um den Splitter im Auge deines Bruders zu kümmern, während du selbst einen Balken in deinem eigenen Auge hast (siehe Mt. 7,3-5)!

Verkörpert dein Leben womöglich gerade den Makel, den du kritisierst? 

Gibt es Kompromisse in deinem Leben? 

Gibt es eine nicht bereinigte Sünde, die du begangen hast und die deinen Ruf vor deinen Geschwistern geschädigt hat?

So wie man ein reines Gewissen haben muss, um Kritik anzunehmen, so muss man auch ein reines Gewissen haben, um Kritik zu äußern. Wenn deine Gemeinde deine Zurechtweisung hören soll, muss sie erfahren, dass sie von jemandem kommt, der es selbst nicht nötig hat, zurechtgewiesen zu werden. Deshalb betont Paulus, dass ein Ältester einen guten Ruf haben muss, auch vor denen außerhalb der Gemeinde (vgl. 1.Tim. 3,7). Der Apostel ruft uns nicht zu sündloser Vollkommenheit auf, sondern zu einem Lebensstil, der in allen Bereichen untadelig ist (V. 2).

John Brown schreibt: »Wenn ein Lehrer des christlichen Glaubens von seiner Gemeinde mit Ehrfurcht und Liebe betrachtet wird, weil er wirklich ›ehrbar in der heiligen Sache‹ ist, jede seiner eigenen Aussagen fest glaubt, in seinem eigenen Charakter und Verhalten jede Tugend und Pflicht vorlebt, die er empfiehlt, und wirklich bestrebt ist, das geistliche Wachstum seiner Gemeinde zu fördern, dann wird die Wahrheit, die von seinen Lippen kommt, wahrscheinlich mit doppelter Kraft wirken; man wird ihr bereitwillig Aufmerksamkeit schenken, die Überführung wird, anstatt sich ihr zu widersetzen, begrüßt werden, und man wird willig Gehorsam leisten.«3

Unsere Gemeinde beobachtet uns ständig. Es bedarf nur einer einzigen öffentlichen Sünde, um ihr Vertrauen zu verlieren; aber es bedarf vieler Jahre der Integrität, um es wieder zu gewinnen. Wenn wir bei unseren Geschwistern Gehör finden wollen, wenn es an der Zeit ist, Kritik zu üben, muss unser Dienst von dem Ethos langfristiger Heiligkeit durchdrungen sein.

Ein beziehungsorientierter Dienst 

Isolation ist eine echte Gefahr im pastoralen Dienst. Einige Gemeindesysteme fördern dies sogar, indem sie die Pastoren oder Ältesten über den Rest der Gemeinde erheben und sie fast unnahbar machen. Doch wenn wir unsere Gemeinde effektiv mit Kritik konfrontieren wollen, müssen wir aktiv an ihrem Leben beteiligt sein. Wir müssen echte Beziehungen zu den Gemeindegliedern haben. Wir müssen sie kennen. David Dickson sagt bezüglich eines Ältesten: »Er muss sie alle kennen, Jung und Alt, ihre Geschichte, ihre Berufe, ihre Gewohnheiten, ihre Denkweise. Sie und ihre Kinder sollten seine persönlichen Freunde sein, sodass sie sich ganz natürlich an ihn als denjenigen wenden, auf den sie sich als gütigen und mitfühlenden Freund und treuen Ratgeber verlassen können.«4

Natürlich entsteht diese Art der Nähe zu »unseren Schafen« nicht an einem Tag, sondern erfordert viel Zeit und Selbstaufopferung. Pastoren haben das große Privileg, an den lieblichsten Freuden und den herzzerreißendsten Sorgen teilzuhaben, die unsere Gemeindemitglieder erleben. Wir sind da, wenn Babys geboren werden. Wir sind da, wenn Babys sterben. Wir sind da, um ihre Hochzeiten durchzuführen und mit ihnen durch die Krebserkrankung und die Schatten des Todes zu gehen. Und dazwischen begleiten wir sie durch die alltäglichen Dinge ihres Lebens. Wir müssen diese Momente nutzen, um uns in ihr Leben hineinzuversetzen, ihnen unsere Fürsorge zu zeigen und zu versuchen, echte und tiefe Beziehungen zu ihnen aufzubauen. Wo eine solche Beziehung fehlt, wird Kritik in der Regel nicht gut ankommen. Wenn wir aber das Ethos eines Freundes haben, werden sie uns gern zuhören.

Ein bestätigender Dienst 

Unsere Gemeinde muss das tiefe Bewusstsein haben, dass wir ihr zur Seite stehen. Wenn sie uns eher als solche wahrnehmen, die Fehler suchen, anstatt als solche, die ermutigen, haben wir versagt. Der Pastor muss Kritik üben, wenn es nötig ist, aber er ist kein ständiger Kritiker. Unser Dienst sollte von positiver Bestätigung für unsere Geschwister durchdrungen sein. Sonst sind unsere Versuche, sie zu korrigieren oder zurechtzuweisen, vergeblich. Sam Crabtree ermutigt uns diesbezüglich mit folgenden Worten: »Verhalte dich so, dass der Angesprochene, wenn er korrigiert werden muss, unmissverständlich weiß, dass du für ihn und nicht gegen ihn bist.«5 Der Dienst ist voll von Gelegenheiten dazu; wir müssen sie nur erkennen können.

    • Halte deine Augen offen für all die kleinen, oft unbemerkten Dienste, die deine Mitglieder für die Gemeinde leisten. Nimm dir die Zeit, sie anzurufen oder eine Karte zu schreiben, um ihnen zu danken und sie in ihrer Arbeit zu ermutigen.6 Wenn es angebracht ist, bestätige sie öffentlich für ihren Dienst.
    • Halte deine Augen offen für Anzeichen von Wachstum und Veränderung im Leben deiner Gemeindemitglieder. Wenn du echte geistliche Veränderungen siehst, so gering sie auch sein mögen, solltest du sie verbal bekräftigen.
    • Halte deine Augen offen für diejenigen, die besonders niedergeschlagen sind und in Versuchung geraten, zu verzweifeln. Sprich sie in ihrer Dunkelheit an und sporne sie mit ermutigenden Worten an, wenn du siehst, wie Gottes Gnade in ihrem Leben und ihren Umständen wirkt.
    • Halte die Augen offen dafür, wie deine Gemeindemitglieder dir helfen können. Wenn du eine Entscheidung zu treffen hast, suche ihren Rat. Wenn du ein bestimmtes Bedürfnis hast, das ihrem Fachwissen entspricht, bitte sie um Hilfe. Solche Bitten sind ein wichtiger Schritt, um den Wert unserer Mitglieder zu bestätigen.

Wir werden später noch auf die Bedeutung der Bestätigung bei der Kritik eingehen; aber hier geht es darum, dass dein Dienst aus regelmäßiger Ermutigung und gelegentlicher Kritik bestehen sollte, nicht aus regelmäßiger Kritik und gelegentlicher Ermutigung. Das Ethos der Bestätigung wird die Empfänglichkeit für Kritik fördern. 

DAS PATHOS DER KRITIK 

Wir wenden uns nun der Art unserer Kritik zu. Bei all unserer Kritik müssen wir auf die Herzen der Menschen zielen. Das ist es, was Aristoteles als Pathos bezeichnete. Wir erreichen die Ohren derer, die wir zurechtweisen, durch ihre Zuneigung. Aber wie kommen wir an ihre Herzen heran?

Mitgefühl ausstrahlen 

Erstens, indem wir ihnen unser eigenes Herz schenken. Wenn wir die Zuneigung unserer Gemeinde gewinnen wollen, müssen wir ihr gegenüber liebevoll sein. Wir sollten in der Lage sein, mit dem Apostel sagen zu können: »Unser Mund hat sich euch gegenüber geöffnet, ihr Korinther; unser Herz ist weit geworden!« (2.Kor. 6,11). Nichts wird die Herzen unserer Mitglieder so sehr für uns öffnen, wie ein Herz, das für sie offen steht. »Wenn die Menschen sehen, dass du sie ungeheuchelt liebst«, erklärt Richard Baxter, »werden sie alles von dir anhören und alles von dir ertragen.«7 Durch unsere Wortwahl, unseren Tonfall, unsere Mimik und unsere Körpersprache sollten wir versuchen, Mitgefühl und echte Fürsorge zu vermitteln.

In Galater 6,1 werden wir ermahnt: »Brüder, wenn auch ein Mensch von einer Übertretung übereilt würde, so helft ihr, die ihr geistlich seid, einem solchen im Geist der Sanftmut wieder zurecht.« Das Wort »sanftmütig« bedeutet »duldsam, großherzig, freundlich, höflich, rücksichtsvoll, großzügig, nachsichtig, maßvoll. Zusammengefasst beschreibt es eine Eigenschaft, die das Gegenteil von Reizbarkeit, Unhöflichkeit und Schroffheit ist.«8 Wenn wir die Herzen unserer Mitmenschen für Kritik gewinnen wollen, müssen wir uns von einem solchen Geist demütiger Liebe leiten lassen. 

Der einunddreißigste Vorsatz von Jonathan Edwards ist an dieser Stelle ein hilfreicher und überzeugender Leitfaden: »Ich bin entschlossen, niemals etwas gegen irgendjemanden zu sagen, außer wenn es dem höchsten Grad christlicher Ehre und Menschenliebe, der tiefsten Demut, dem Gefühl für meine eigenen Fehler und Schwächen und der goldenen Regel entspricht; und wenn ich etwas gegen jemanden gesagt habe, werde ich es oft auf den Prüfstand stellen und streng an diesem Vorsatz messen.«9 

Gibt es im Herzen deiner Mitmenschen irgendeinen Zweifel daran, dass du sie liebst? Was sagt deine verbale und nonverbale Kommunikation über die Gesinnung deines Herzens aus? Liebst du sie aufrichtig? Trachtest du in deiner Kritik nach ihrem ewigen Wohlergehen?10 

Erreiche sie mit Bestätigung 

Wir erreichen ihr Herz zweitens durch unsere Bestätigung. Konstruktive Kritik lässt sich am besten ausüben, wenn wir gleichzeitig ermutigende Worte sagen. Es ist aber auch so, dass einer wirksamen Kritik in der Regel eine Ermutigung vorausgehen und folgen sollte. Dies wird oft als das »Sandwich-Prinzip« bezeichnet. Wenn wir Menschen kritisieren oder zurechtweisen, ohne sie vorher oder nachher in irgendeiner Weise zu bestätigen, werden sie die Kritik wahrscheinlich als ein Spiegelbild ihrer gesamten Persönlichkeit auffassen. Wenn wir jemanden zurechtweisen, sollten wir ihm sagen: »Grundsätzlich befürworte ich dich als Person und schätze dich, aber ich habe auch eine Sorge.«

Nehmen wir an, du hast in der Gemeinde eine junge Mutter mit einem ungestümen kleinen Jungen. Er hat ständig geschrien und vor kurzem während der Gottesdienste am Sonntag eine Szene gemacht. Das Problem muss angegangen werden, aber wie? Um etwas klarzustellen, könntest du direkt mit der Kritik beginnen und dabei kein Blatt vor den Mund nehmen: »Der kleine Martin war in den letzten Monaten während des Gottesdienstes unglaublich laut. Ist dir klar, wie sehr das alle anderen ablenkt? Du musst ihn entweder im Zaum halten oder ihn nach draußen bringen.« Eine solche Kritik mag bei der Mutter vielleicht eine Art Pathos auslösen, aber nicht die, welche du willst! Viel besser und christlicher ist es, wenn du die Kritik zwischen Bestätigungen schiebst, etwa so:

    • Vorangestellte Bestätigung: »Carol, es hat mich sehr ermutigt zu sehen, wie du versuchst, Martin so zu erziehen, dass er den Herrn kennen und lieben lernt – insbesondere durch dein Engagement, ihn jeden Sonntag zum Gottesdienst mitzubringen und ihn gemäß der Wahrheiten Gottes zu erziehen.«
    • Kritik: »Aber mir ist in den letzten Wochen aufgefallen, dass er während der Gottesdienste ziemlich laut ist. Ich mache mir Sorgen, dass er andere vom Hören des Wortes Gottes ablenkt.«
    • Nachfolgende Bestätigung: »Ich weiß, dass du Wert darauf legst, dass Kinder mit ihren Familien den Gottesdienst besuchen, und das ist eine großartige und Gott wohlgefällige Sache! Aber wenn er das nächste Mal während des Gottesdienstes zu laut wird, könntest du vielleicht mit ihm rausgehen.«

Was für einen Unterschied macht es doch, wenn Kritik zwischen zwei Bestätigungen steht! Natürlich müssen die Bestätigungen aufrichtig sein. Bestätige niemanden auf eine Art und Weise, die nicht zu seiner Person oder zu deinen Überzeugungen passt. Aber wenn unsere Kritik von aufrichtiger Bestätigung begleitet wird, trägt sie viel dazu bei, die abwehrende Haltung zu verringern und die Herzen derer zu gewinnen, die wir zurechtweisen.

Betone die Konsequenzen 

Drittens: Ein geheiligtes Pathos entsteht, indem wir unseren Gemeindemitgliedern helfen, die Konsequenzen ihrer Fehler zu erkennen. Unsere sündigen Überzeugungen und Handlungen sind nie ohne Folgen. Wenn wir den Menschen helfen, diese Konsequenzen zu erkennen, können wir unsere Kritik für ihr Wachstum nutzen. 

Wenn es in deiner Gemeinde einen Mann gibt, der den amerikanischen Traum verfolgt und dabei seine Familie vernachlässigt, solltest du ihn nicht nur darauf hinweisen. Zeige ihm nicht nur seine Sünde im Licht von Gottes Wort, sondern versuche, ihm die Konsequenzen seines Verhaltens vor Augen zu führen. Die negativen Folgen sind vielfältig, aber konzentriere dich auf die, von denen du glaubst, dass sie sein Gewissen am meisten belasten werden. Es kann hilfreich sein, es in Form einer Frage zu formulieren. Zum Beispiel: Welche Botschaft vermittelt er seinen Kindern durch sein unbiblisches Verhalten? Hier sind ein paar Möglichkeiten:

    • Papas Arbeit ist ihm wichtiger als ich.
    • Reichtum ist wichtiger als Beziehungen.
    • Je mehr Geld ich haben werde, desto glücklicher werde ich sein.
    • Mein eigener Wert ist nicht größer als mein irdischer Erfolg und Wohlstand.

Kein christlicher Vater will, dass seine Kinder solche Dinge glauben. Aber oft sind wir uns der verheerenden Auswirkungen unseres Handelns nicht bewusst. Sie ans Licht zu bringen, ist ein wichtiger Weg, um die Herzen unserer Gemeindemitglieder für unsere Zurechtweisungen zu öffnen und zu einer dauerhaften Veränderung zu führen.

Bring Hoffnung zum Ausdruck 

Schließlich erreichen wir die Zuneigung unserer Gemeindemitglieder, indem wir ihnen Hoffnung geben. Kritik ist größtenteils die Anwendung von Gottes Gesetz. Wir wenden die Gebote Gottes an, die entweder ausdrücklich offenbart sind oder sich aus einer guten und notwendigen Konsequenz ergeben, um die Sünde zu entlarven. Aber wir müssen aufpassen, dass wir das nicht tun, ohne auch die Hoffnung des Evangeliums zu verkünden. Wenn unsere Gemeindemitglieder von uns das Gefühl übermittelt bekommen, dass sie ein hoffnungsloser Fall seien, wird ihr Herz nicht für uns offen stehen. Konstruktive Kritik setzt ein gewisses Maß an biblischem Optimismus voraus. Wenn unsere Kritik keine Hoffnung auf Veränderung beinhaltet, ist sie auch nicht konstruktiv.

Als Pastoren müssen wir uns vor christusloser Kritik hüten. Wenn wir »unsere Schafe« kritisieren, müssen wir sie auf die Gnade Gottes in Christus hinweisen, die wirksam ist, um sie von ihrer Schuld zu reinigen und sie zu befähigen, die Sünde abzutöten. Wenn wir jemanden zurechtweisen, von dem wir vermuten, dass er kein echter Gläubiger ist, müssen wir ihn auffordern, auf Christus zu schauen, um die rechtfertigende Gerechtigkeit und heiligende Heiligkeit zu finden. Unabhängig von ihrem Zustand und der Schwere der Sünde, die wir kritisieren, dürfen wir es nicht versäumen, den Menschen von der Hoffnung zu erzählen, die ihnen im Evangelium frei angeboten wird. Frag dich selbst: Will ich durch meine Kritik die Menschen zu Christus führen? 

DER LOGOS DER KRITIK 

Ohne persönliche Heiligkeit (Ethos) und den Zugang zu den Herzen der Menschen (Pathos) bringen uns die sorgfältigsten Argumente nicht weiter. Das soll aber keineswegs die Bedeutung des Logos bei der Kritik schmälern. Der Inhalt unserer Kritik ist sehr wichtig und muss sorgfältig formuliert und begründet werden.

Sorgfältig formuliert 

Es kommt nicht nur darauf an, was wir sagen, sondern auch, wie wir es sagen. Die Wortwahl ist ein entscheidendes Element der konstruktiven Kritik. Während manche unserer »Schafe« vielleicht ein scharfes Wort brauchen, das direkt ist und auf den Punkt kommt, ist es normalerweise am besten, Worte zu wählen, die mit der Sanftheit und Freundlichkeit des Geistes umhüllt sind. Charles Wingard schreibt: »Wenn du ein Problem ansprechen oder eine Besorgnis äußern musst, dann wäge im Voraus ab, welche Wirkung deine Worte haben werden. Wenn du in dem Ruf stehst, zu direkt zu sein, überlege es dir noch einmal. Eine »Sag-es-so-wie-es-ist«-Haltung ist nicht gut. Reife Leiter denken sorgfältig darüber nach, wie ihre Worte aufgenommen werden. Wenn es um Kontroversen geht, ist Unverblümtheit meist schädlich. Sei ehrlich, aber vertrete deinen Standpunkt nicht in einer Weise, die verletzte Gefühle oder eine wütende und abwehrende Reaktion hervorruft.«11

Wir müssen uns gut überlegen, welche Worte am ehesten die gewünschte Reaktion hervorrufen werden. Du hast zum Beispiel einen jungen Mann in der Gemeinde, der in letzter Zeit während deiner Predigt besonders abgelenkt war. Was ist der Grund für seine Ablenkung? Antwort: Eine schöne junge Frau. Seit einigen Wochen bemerkst du, dass er während deiner Predigten den Blick nicht von ihr lassen kann. Er erweckt den Eindruck, dass er mehr mit ihr beschäftigt ist als mit der Wahrheit des Wortes Gottes. Wie wirst du darauf reagieren?

Du könntest ihn scharf zurechtweisen; aber es ist viel besser, freundlichere Worte zu wählen, wenn du diesen jungen Mann zur Rede stellst: »James, ich habe in letzter Zeit bemerkt, dass du ein Auge auf Kate geworfen hast, und ich freue mich, dass es dir ernst ist. Ich bete, dass – wenn es Sein Wille ist – Gott euch eine gesegnete Ehe schenkt. Dass du dich zu einer geistlichen Schwester hingezogen fühlst, ist wirklich eine biblische und schöne Sache, solange du dich an biblische Maßstäbe hältst. Es gibt nur einen Punkt, der mich beunruhigt und den ich kurz ansprechen möchte. Ich habe den Eindruck, dass du in letzter Zeit etwas abgelenkt bist, wenn du im Gottesdienst neben Kate sitzt. Ich fürchte, dass du nicht in der Lage sein wirst, die ganze Botschaft Gottes aufzunehmen, wenn du während der Predigt abgelenkt bist. Deshalb möchte ich, dass du dir von nun an wirklich Mühe gibst, während der Predigt nicht unbedingt neben Kate zu sitzen, und dass ihr schon gar nicht miteinander flüstert, sondern dass du versuchst, so viel wie möglich von der Predigt aufzunehmen und erst nach dem Gottesdienst mit ihr zu sprechen, wenn es nötig ist. Ich hoffe, dass du meinen Rat befolgst. Aber ich freue mich, dass du eine biblische Ehe gründen willst, und ich bete, dass Gott dir dabei viel Weisheit und Gnade schenken möge.« Anstatt den jungen Mann mit harten Worten zu erdrücken, ist es viel besser, eine warme, väterliche Ermahnung auszusprechen.

Es ist auch wichtig, Worte zu wählen, die das Problem nicht übertreiben. In dem Bestreben, unseren Standpunkt klarzumachen, könnten wir versucht sein, eine schärfere Sprache zu verwenden, als es der Situation eigentlich angemessen ist: »James, du hast mir seit Wochen bei keinem Wort, das von der Kanzel kam, zugehört. Du hast deine ungeteilte Aufmerksamkeit Kate gewidmet.« Auch wenn wir glauben, dass wir mit solch extremen Formulierungen unsere Meinung wirksam zum Ausdruck bringen können, wird sie sich in Wirklichkeit gegen uns richten. Übertriebene Äußerungen untergraben unsere Kritik (und unsere Integrität!) und führen dazu, dass James in die Defensive gerät. Lasst uns darauf achten, dass wir die Worte so wählen, dass sie dem Thema angemessen sind, und uns vor Übertreibungen hüten.

Sorgfältig fundiert

Wirksame Kritik muss auf einem soliden Fundament aufgebaut sein. Wir müssen die Situation und die Heilige Schrift sorgfältig studieren, damit unsere Kritik nicht unbegründet ist. 

Erstens müssen wir unsere Kritik auf konkrete und ausreichende Beweise stützen. Wir alle waren schon einmal Gegenstand von Kritik, die auf dem Sand von Annahmen oder unzuverlässigen Quellen gebaut war. Stell dir die folgenden Fragen:

    • Gibt es irgendwelche Annahmen, die du über den Charakter oder die Absichten der Person machst und die womöglich deine Perspektive verzerren? Nehmen wir einmal an, die junge Frau, durch die James so abgelenkt ist und auf die er sich so fixiert, ist deine Tochter. Könnte es sein, dass du diesem jungen Mann gegenüber aufgrund deiner väterlichen Beschützerrolle Vorurteile hast, die die Situation dunkler erscheinen lassen, als sie in Wirklichkeit ist? 
    • Hast du das Problem selbst miterlebt? Wenn nicht, stützt du dich bei deiner Kritik auf zuverlässige Quellen? – In diesem Fall warst du selbst Zeuge von James Ablenkung; aber wenn es dir stattdessen von einem Gemeindemitglied berichtet wurde, solltest du genau abwägen, von wem es kam und wie viele Zeugen es gab.
    • Ist die Situation ernst oder dauerhaft genug, um Kritik zu rechtfertigen? Wenn James während einer deiner Predigten neben Kate säße und einmal mit ihr flüsterte, dann wäre eine solche Konfrontation völlig unbegründet. Wir sollten keine voreiligen Schlüsse ziehen, wenn es keinen ausreichenden Grund zur Sorge gibt.

Zweitens müssen wir unsere Kritik auf die Heilige Schrift stützen. Zu oft beruht die Kritik auf subjektiven Meinungen oder Vorurteilen. Es ist das von Gott eingegebene Wort, das den Mann Gottes tauglich macht für jede Zurechtweisung und Kritik (s. 2.Tim. 3,16-17). Spricht Gottes Wort in dieser Frage deutlich? Hält Sein Wort dieses Thema für wichtig genug, um es anzusprechen? 

James muss verstehen, dass deine Kritik nicht auf einem von Machtgier motivierten Wunsch beruht, seine ungeteilte Aufmerksamkeit zu bekommen, wenn du predigst. Hier geht es nicht um dich, sondern um James und Gott. Wenn es zu wahrer Reue und echter Veränderung kommen soll, müssen wir diesem jungen Mann die Gebote des Wortes Gottes ins Gewissen rufen und ihm zeigen, dass sein Verhalten nicht damit in Einklang zu stehen scheint.

    • Jakobus 1,21: Die Heilige Schrift lehrt die lebenswichtige Notwendigkeit des aufmerksamen Zuhörens und der glaubensvollen Aufnahme des Wortes.
    • Hebräer 2,1: Die Heilige Schrift warnt vor den verheerenden Folgen, wenn man dem Wort Gottes keine Aufmerksamkeit schenkt.

Wenn möglich, begründe deine Kritik mit einem Abschnitt oder einer Wahrheit aus Gottes Wort, die für deine Kritik am wichtigsten ist. Hilf demjenigen, den du zurechtweist, zu erkennen, dass du ihm nicht deine persönliche, subjektive Meinung mitteilst, sondern dass deine Bedenken auf dem Wort Gottes beruhen.

BEIM ZURECHTWEISEN DIE AUGEN AUF CHRISTUS RICHTEN 

Wenn wir uns bemühen, Kritik zu nutzen, um uns liebevoll um unsere Gemeinde zu kümmern, ist es unvermeidlich, dass wir versagen werden. Es wird Zeiten geben, in denen unsere Versuche in Bezug auf Ethos, Pathos und Logos unzureichend sind. Selbst unsere besten Versuche werden mit Unzulänglichkeiten behaftet sein.

Wie sehr brauchen wir doch ständig das Evangelium! Bedenke, wie perfekt dieser Dreiklang der geheiligten Kritik im irdischen Leben unseres Heilands dargestellt wurde. Sein fleischgewordenes menschliches Wesen war in das Ethos der Heiligkeit gekleidet. Er war ein Mann mit perfekt engagierter Zuneigung, der immer auf das Pathos Seiner Zuhörer abzielte. Und Sein Logos war makellos, mit einer Wortwahl und biblischen Logik, die Seine schwächsten Nachfolger tröstete und Seinen größten Feinden den Mund stopfte. Seht eure Gerechtigkeit in Ihm! Und sieh in Christus Denjenigen, durch den du für die wichtige und notwendige Aufgabe der Kritik gestärkt werden kannst. Wenn wir uns selbst überlassen sind, kann keiner von uns diese Aufgaben bewältigen. Aber durch die Kraft Seines Geistes können wir konstruktive Kritik üben, zur Ehre Gottes und zum Wohl unserer Zuhörer.

1 Aristoteles, »Rhetorik«.
2 James Stalker, »The Preacher and His Models«.
3 John Brown, »An Exposition of the Epistle of Paul to the Galatians«, The Banner of Truth Trust.
4 David Dickson, »The Elder and His Work«, Presbyterian Heritage Publications.
5 Sam Crabtree, »Practicing Affirmation«, Crossway.
6 Vermeide es möglichst, dies per E-Mail zu tun, da es nicht so persönlich und aussagekräftig ist. Trotzdem ist eine E-Mail besser als nichts.
7 Richard Baxter, »Das Predigeramt aus der Sicht eines Puritaners«, 3L-Verlag.
8 Wayne Mack, »A Homework Manual for Biblical Counseling«, P&R.
9 The 70 Resolutions of Jonathan Edwards.
10 Sam Crabtree, »Practicing Affirmation«, Crossway.
11 Charles Malcom Wingard, »Help for the New Pastor«, P&R.


Entnommen aus dem Buch »Pastors and Their Critics«, P&R Publishing.

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Umgang mit Kritik im Dienst

von Lucas Derksen Lesezeit: 19 min