Behüte dein Herz – Was es bedeutet und beinhaltet

2 November, 2023

Kategorie: Erbauung

Behüte dein Herz – Was es bedeutet und beinhaltet



Das Behüten des Herzens setzt notwendigerweise das Werk der Neugeburt voraus, wodurch das Herz erneuert wird. Es neigt sich daraufhin den geistlichen Belangen zu. Solange die Gesinnung des Herzens nicht durch die Gnade erneuert ist, kann es durch kein anderes Mittel in der richtigen Beziehung zu Gott stehen. Das nicht erneuerte Herz vertraut auf sich selbst; das eigene »Ich« beeinflusst alle Absichten und Handlungen. Und solange es sich so verhält, ist es unmöglich, das Herz durch äußeres Eingreifen nahe bei Gott zu halten. 

Ursprünglich besaß der Mensch eine beständig gleichbleibende Geistesgesinnung; er hielt sich auf einem ebenen und geraden Weg. Nicht ein einziger Gedanke oder ein Lebensbereich war fehlgeordnet. Sein Verstand verfügte über die vollkommene Kenntnis der Anordnungen Gottes, und sein Wille stimmte mit diesen völlig überein. Sein ganzes Begehren und seine Kraft ordneten sich ihnen im Gehorsam vollkommen unter. 

Aufgrund des Sündenfalls wurde der Mensch ein fehlgeleitetes und rebellisches Wesen, das sich mit dem Wunsch nach Unabhängigkeit seinem Schöpfer, ja seinem eigenen Ursprung widersetzt. Durch seine Eigenliebe stellt er sich seinem Schöpfer, dem höchsten Gut, entgegen. Durch seinen Eigenwillen richtet er sich gegen seinen Schöpfer, den höchsten Herrn. Und durch die Selbstsucht wendet er sich gegen seinen Schöpfer, das letztgültige Ziel. 

Daher ist er vollkommen fehlgeleitet, und all seine Handlungen sind sprunghaft. Aber durch die Neugeburt – die Geburt von oben – erlangt die verirrte Seele wieder Klarheit. Diese großartige Veränderung ist – wie die Schrift es nennt – die Wiederherstellung der Seele nach dem Ebenbild Gottes. Nun wird der Wunsch nach Unabhängigkeit durch den Glauben, die Eigenliebe durch Unterordnung und Gehorsam gegenüber dem Willen Gottes und die Selbstsucht durch Selbstverleugnung ersetzt. Der verfinsterte Verstand wird erleuchtet, der Widerstand wird auf liebliche Weise bezwungen und das rebellische Verlangen allmählich überwunden. Auf diese Weise wird die Seele, die aufgrund der Sünde gänzlich verdorben war, durch die Gnade erneuert. 

Ist diese Voraussetzung gegeben, so können wir verstehen, was es bedeutet, das Herz zu behüten. Es beinhaltet nichts anderes, als dass der erneuerte Mensch seine Seele durch beständige Sorgfalt und Gewissenhaftigkeit in diesem heiligen Zustand bewahrt, zu dem die Gnade ihn erhoben hat. Denn obgleich die Gnade die Seele in hohem Maß gebessert und ihr eine himmlische Gesinnung verliehen hat, so bringt die Sünde sie tatsächlich oftmals wieder aus der Fassung. 

Ein begnadigtes Herz ist wie eine Violine. Selbst wenn sie richtig gestimmt ist, kann eine kleine Störung sie wieder verstimmen. Ja, legt ihr sie nur einmal kurz zur Seite, so muss sie wieder gestimmt werden, bevor ihr das nächste Lied darauf spielen könnt. Treten nun begnadigte Herzen an eine Pflicht mit der wünschenswerten Gesinnung heran, so können sie dennoch eine andere Pflicht träge, gefühllos und schwerfällig ausüben! »Wenn du nun dein Herz fest ausrichtest und zu Ihm deine Hände ausstreckst, …« (Hi. 11,13). 

Das Herz zu behüten bedeutet ganz einfach, es sorgfältig vor der Sünde zu bewahren, die es verwirrt, und es in einem geistlichen Zustand aufrechtzuerhalten, der es fähig macht, in Gemeinschaft mit Gott zu leben. Damit gehen sechs besondere Aufgaben einher: 

1. Häufiges Beobachten der Gesinnung des Herzens

Fleischlich gesinnte Menschen, die sich auf äußere Formen konzentrieren, schenken ihrer inneren Gesinnung keine Beachtung. Man kann sie nicht dazu bringen, mit ihrem eigenen Herzen Zwiesprache zu halten. Manche Leute leben schon vierzig oder fünfzig Jahre in dieser Welt, ohne jemals eine Stunde mit ihrem eigenen Herzen geredet zu haben. Es ist schwierig, einen Menschen mit sich selbst zu konfrontieren, um diese Aufgabe zu vollbringen. 

Doch Heilige wissen, dass diese Selbstgespräche sehr heilsam sind. Sogar Heiden sagten: »Die Seele wird weise, wenn man still und ruhig wird.« Obwohl bankrotte Leute keinen Blick in ihren Kontostand werfen, so wissen aufrichtige Herzen sehr wohl, ob sie Fortschritte oder Rückschritte machen. »Ich sinne in meinem Herzen nach«, schrieb David (Ps. 77,7). Das Herz kann niemals behütet werden, solange seine Absichten noch nicht geprüft und erkannt wurden.

2. Tiefe Demütigung

Das Behüten des Herzens beinhaltet eine tiefe Demütigung über seine Bosheit und Verirrungen. Wegen des Stolzes in seinem Herzen demütigte Hiskia sich (2.Chr. 32,26). Salomo betete zum Herrn vor dem Volk: »… wenn irgendeine Plage … auftritt, was immer dann irgendein Mensch von Deinem ganzen Volk Israel bittet und fleht, wenn jeder von ihnen die Plage seines Herzens erkennen wird, und sie ihre Hände ausbreiten zu diesem Haus hin, so höre Du es …« (1.Kö. 8,37-39). Das Volk sollte seine Hände im Gebet zu Gott erheben, wenn es die Plage seines eigenen Herzens erkannte. Aus diesem Grund wurde so manches aufrichtige Herz vor Gott gedemütigt, sodass es seufzte: »Oh, welch ein Herz habe ich doch!« 

Solche Menschen weisen auf ihr Herz hin, die schmerzende Stelle, und bekennen: »Herr, hier ist die offene Wunde, hier ist die Plage, der Schmerz.« Ein gut behütetes Herz verhält sich wie das Auge: Gelangt ein winziges Staubkorn hinein, hört es nicht auf zu blinzeln und zu tränen, bis es dieses herausgeweint hat. So kommt auch ein aufrichtiges Herz nicht zur Ruhe, bis es seinen Kummer und seine Klagen vor dem Herrn ausgeschüttet hat.

3. Ernsthaftes Flehen und unverzügliches Gebet

Das Behüten des Herzens besteht auch aus ernsthaftem Flehen und unverzüglichem Gebet um reinigende und wiederherstellende Gnade, wenn die Sünde das Herz beschmutzt und verwirrt hat. »Verfehlungen – wer erkennt sie? Sprich mich los von denen, die verborgen sind!« (Ps. 19,13). »Richte mein Herz auf das eine, dass ich Deinen Namen fürchte!« (Ps. 86,11). 

Für wahre Christen gibt es immer viele solcher Bitten, die sie vor den Thron der Gnade Gottes bringen. Um diese Nöte flehen sie Gott am meisten an. Beim Flehen um rein äußere Gnadenerweise kann ihr Geist vielleicht nachlässig werden. Doch wenn es um die Belange des Herzens geht, dann strengen sie ihren Geist bis zum Äußersten an, sie bringen viele Argumente vor, weinen und flehen: »Oh, ich muss um ein besseres Herz bitten! Oh, ein Herz, das Gott mehr liebt, das die Sünde mehr hasst, das treuer in der Gemeinschaft mit Gott wandelt. Herr, verweigere mir ein solches Herz nicht, auch wenn Du mir vieles andere vorenthältst. Gib mir ein Herz, das Dich fürchtet, Dich liebt und seine Freude in Dir findet, auch wenn ich fern von meinen zerstörten Wohnungen nach Brot suchen muss« (vgl. Ps 109,10).  

Von einem treuen Christen wird Folgendes berichtet: Wenn er sich seine Sünde eingestand, wollte er nicht aufhören, sie zu bekennen, bis es ihm klar wurde, dass sein Herz wegen dieser Sünde endlich zerbrochen war. Und wenn er im Verlangen nach einer geistlichen Gnadenerweisung ins Gebet ging, hörte er nicht auf zu bitten, bis er sozusagen einen Geschmack dieser Gnadenerweisung erlangt hatte.

4. Ein fester Entschluss unsererseits

Das Behüten des Herzens beinhaltet den festen Entschluss unsererseits, gewissenhafter in der Gemeinschaft mit Gott zu wandeln und alle Gelegenheiten zu meiden, durch welche unser Herz zur Sünde verleitet wird. Wohlüberlegte Gelöbnisse und Vorsätze erweisen sich in mancher Hinsicht als sehr nützlich, um das Herz gegenüber einer bestimmten Sünde zu bewahren. »Ich hatte einen Bund geschlossen mit meinen Augen«, sagt Hiob (Hi. 31,1). Mithilfe dieser Maßnahme haben wahre Christen auf ihre Seelen eingewirkt und sich selbst vor Verunreinigung bewahrt.

5. Ein dauerndes und heiliges, eifersüchtiges Wachen

Beständig und eifersüchtig über sich selbst zu wachen, ist ein hervorragendes Mittel, das vor der Sünde schützt. Derjenige, der sein Herz behütet, muss die Augen seiner Seele gegenüber allen unmäßigen und turbulenten Gefühlsregungen wach und offen halten. Sobald die Neigungen hervorbrechen und die Leidenschaften erwachen, muss die Seele es bemerken und diese im Keim ersticken, bevor sie sich weiter erheben. »O meine Seele, machst du deine Sache gut? Ihr aber, meine aufgebrachten Gedanken und Leidenschaften, habt ihr etwa die Autorität erlangt?« 

»Wohl dem Menschen, der beständig in der Furcht [Gottes] bleibt« (Spr. 28,14). Denn diese Furcht des Herrn bringt Menschen dazu, vom Bösen zu weichen, jede Trägheit abzuschütteln und sich selbst vor dem Unrecht zu bewahren. Derjenige, der sein Herz behüten möchte, muss mit heiliger Furcht essen und trinken, sich mit Furcht erfreuen (Ps. 2,11) und, solange er noch hier verweilt, jeden Augenblick in Furcht verbringen. All dies ist das Mindeste, was wir tun können, um unser Herz vor der Sünde zu behüten.

6. Bewusstsein der Gegenwart Gottes

Das Behüten des Herzens schließt mit ein, sich der Gegenwart Gottes bewusst zu sein und allezeit den Herrn vor Augen zu haben. Viele Menschen haben erfahren, dass sich dies als eine mächtige Hilfe erweist, um ihre Herzen in Rechtschaffenheit zu bewahren und sich vor der Sünde zu fürchten. Ist das Auge unseres Glaubens auf das Auge der Allwissenheit Gottes gerichtet, dann wagen wir es nicht, unsere Gedanken und Neigungen zu Nichtigem abschweifen zu lassen. Der rechtschaffene Hiob wollte nicht, dass sich sein Herz auf unreine, nichtige Gedanken einließ. Was führte ihn zu einer derart besonderen Vorsicht? Er erklärt uns: »Sieht Er denn nicht meine Wege und zählt alle meine Schritte?« (Hi. 31,4).

In solch besonderen Situationen zeigen begnadigte Seelen, wie sehr sie um ihre Herzen bemüht sind. Sie wenden viel Sorgfalt an, um zu verhindern, dass in Zeiten der Versuchung das verderbte Wesen sich selbst überlassen bleibt. Sie sind sorgsam bemüht, die Lieblichkeit und den Trost im Herzen zu erhalten, den sie von Gott im Ausüben jeder Pflicht erlangen. Darin besteht nun unsere Aufgabe; und von allen Aufgaben des Glaubens ist dies die schwierigste, beständigste und wichtigste Arbeit. 

Erstens ist es die schwierigste Arbeit. Die Arbeit am Herzen ist wahrhaft überaus mühevoll. Über Verpflichtungen des Glaubens mit einer lässigen und leichtsinnigen Geisteshaltung hinwegzusehen, erfordert keine große Anstrengung. Doch alle eitlen und nichtigen Gedanken, die innerlich aufsteigen, vor dem Herrn auszubreiten, um sie Seinem beständigen und ernsthaften Blick zu überlassen – das wird euch wohl sehr viel kosten. 

Es ist einfach, im Gebet sprachgewandt eure Anliegen in treffende und angemessene Ausdrücke zu kleiden. Doch wegen der Sünde ein zerbrochenes Herz zu haben, während ihr sie bekennt; von der freien Gnade überwältigt zu sein, während ihr Gott dafür preist; aufrichtig beschämt und gedemütigt zu sein, weil ihr die unendliche Heiligkeit Gottes erkennt, und euer Herz in dieser Gesinnung zu bewahren – sowohl während wie auch nach der Ausübung der Pflicht –, wird euch ganz gewiss einige Seufzer und Mühe der Seele kosten. 

Die äußeren Ausbrüche der Sünde zurückzudrängen und die äußeren Bereiche eures Lebens lobenswert zu gestalten, ist keine große Sache. Das können sogar fleischlich gesinnte Menschen aufgrund der Stärke ihrer allgemeinen Prinzipien. Doch die Wurzel der innewohnenden Verderbtheit abzutöten, die Herrschaft über eure Gedanken zu behalten und zu erhalten, das Herz rein und wohlgeordnet zu bewahren, das ist keine einfache Sache. 

Zweitens ist es eine beständige Arbeit. Das Behüten des Herzens ist eine Arbeit, die niemals vollendet ist, bis das Leben sein Ende findet. Keine Zeit und kein Umstand im Leben eines Christen wird eine Unterbrechung dieser Arbeit zulassen. Wir müssen immer über unser Herz wachen, so wie Mose seine Hand immer oben halten musste, während Israel gegen Amalek kämpfte. Sobald die Hand von Mose schwer wurde und sank, hatte Amalek die Oberhand. Das Wachen über das eigene Herz nur einige Minuten zu unterbrechen, kostet – wie bei David und Petrus – so manch traurigen Tag und kummervolle Nacht.

Drittens ist es die wichtigste Arbeit im Leben eines Christen. Ohne diese Aufgabe beruht unser Glaube nur auf äußeren Formen. Unser ganzes Bekenntnis, unsere Gaben und Pflichten sind dann bedeutungslos. »Gib Mir, Mein Sohn, dein Herz« (Spr. 23,26), lautet die Forderung Gottes. 

Es gefällt Gott, wenn wir etwas als ein Geschenk erachten, das wir Ihm schuldig sind. Er legt Seine Herrlichkeit auf die Geschöpfe, um sie von ihnen als ein Geschenk wieder zu erhalten. Wird Ihm jedoch die Ehre nicht erwiesen, dann betrachtet Er auch nichts anderes als ein Geschenk, was immer wir Ihm geben könnten. Der Wert dessen, was wir vollbringen, ist gerade so hoch, wie unser Herz daran beteiligt ist. Im Hinblick auf unser Herz scheint Gott – wie einst Joseph von Benjamin – zu sagen: »Ihr sollt mein Angesicht nicht sehen, wenn euer Bruder nicht bei euch ist!« (1.Mo. 43,3). 

Wenn bei den Heiden ein Tier als Opfer geschlachtet wurde, prüfte der Priester zuallererst das Herz des Tieres. War es krank und wertlos, dann wurde das Opfer nicht angenommen. Gott weist alle Pflichterfüllung ab, die Ihm ohne Beteiligung des Herzens erwiesen wird (wie ruhmreich sie in manch anderer Hinsicht auch sein mag). Der Mensch, der eine Pflicht herzlos – oder achtlos – erfüllt, wird von Gott nicht mehr angenommen als jene Person, die sie mit geteiltem Herzen – nämlich heuchlerisch – erfüllt.


Entnommen aus dem Buch »Behüte dein Herz«, 3L Verlag

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Behüte dein Herz – Was es bedeutet und beinhaltet

von Verena Penner Lesezeit: 9 min