Wir alle sind anfällig für Übertreibungen und Extreme in die eine oder andere Richtung. Als Gott das Volk Israel aus der ägyptischen Gefangenschaft befreite, um Ihm allein zu dienen, verfielen sie in Unglauben, Rebellion gegen Ihn und in den Götzendienst. Nach vierzigjähriger Wüstenwanderung führte der Herr die Israeliten in das verheißene Land Kanaan. Ihre größten Feinde waren besiegt, aber überall um sie herum gab es Widerstand. Anstatt die Eroberung voranzutreiben, wie Gott es befohlen hatte, ließen sie sich nieder und machten es sich bequem. Es dauerte nicht lange, bis sie mit den Heiden Kontakt aufnahmen und sich mit ihnen vermischten. Diese Vermischung führte zu schrecklichem Götzendienst und schließlich zum siebzigjährigen Exil in Babylon. Das war das eine Extrem, in das die Israeliten verfielen – in die Gesetzlosigkeit.
Paulus musste die Gemeinde in Korinth an das Versagen der Israeliten erinnern und sagen: »Werdet auch nicht Götzendiener … Lasst uns auch nicht Unzucht treiben … Lasst uns auch nicht Christus versuchen … Murrt auch nicht, so wie auch etliche von ihnen murrten und durch den Verderber umgebracht wurden … Darum, wer meint, er stehe, der sehe zu, dass er nicht falle!« (1.Kor. 10,7-12).
Nach der babylonischen Gefangenschaft hatten die Israeliten nie wieder das große Problem des Götzendienstes oder der Vermischung mit den ungläubigen Heiden; stattdessen verfielen sie in die Gesetzlichkeit. Jesus warnte darum das Volk vor den Schriftgelehrten und Pharisäern, in dem Er sagte: »Sie binden nämlich schwere und kaum erträgliche Bürden und legen sie den Menschen auf die Schultern; sie aber wollen sie nicht mit einem Finger anrühren … Wehe euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler, dass ihr getünchten Gräbern gleicht, die äußerlich zwar schön scheinen, inwendig aber voller Totengebeine und aller Unreinheit sind! So erscheint auch ihr äußerlich vor den Menschen als gerecht, inwendig aber seid ihr voller Heuchelei und Gesetzlosigkeit« (Mt. 23,4.27-28).
Zu allen Zeiten hatten die Christen die Tendenz, entweder gesetzlos oder gesetzlich zu werden; aber das Evangelium ist weder gesetzlich noch gesetzlos. Die Christen in Galatien wurden von jüdischen Irrlehrern verführt und verfielen in die Gesetzlichkeit. An die Kolosser musste Paulus schreiben: »Wenn ihr nun mit Christus den Grundsätzen der Welt gestorben seid, weshalb lasst ihr euch Satzungen auferlegen, als ob ihr noch in der Welt lebtet? … [Gebote] nach den Weisungen und Lehren der Menschen« (Kol. 2,20-22). Und die Korinther musste er ermahnen: »Zieht nicht in einem fremden Joch mit Ungläubigen! Denn was haben Gerechtigkeit und Gesetzlosigkeit miteinander zu schaffen? Und was hat das Licht für Gemeinschaft mit der Finsternis?« (2.Kor. 6,14).
Es fällt uns leicht, die Israeliten, die Korinthergemeinde oder andere Christen wegen ihrer Gesetzlosigkeit zu verurteilen oder auch die Galater, die Kolosser und andere Gemeinden als gesetzlich zu bezeichnen. Aber können wir uns selbst richtig einschätzen? Sollte sich nicht besser jeder selbst fragen: Wie bewertet Gott dich? Bist du wirklich ein gottesfürchtiger Christ, oder willst du etwa durch deine Worte, Taten und Äußerlichkeiten nur deine Frömmigkeit zur Schau stellen?
Weil wir von Gott aus der Finsternis zum Licht berufen worden sind, so lasst uns der Heiligung nachjagen, damit wir Christus immer ähnlicher werden, und lasst uns fliehen vor aller Gesetzlosigkeit und vor jeder Form von Gesetzlichkeit!