Gottes Perspektive auf das Werk des Knechtes

22 Oktober, 2025

Kategorie: Bücher, Erbauung

Bibelbuch: Jesaja

Gottes Perspektive auf das Werk des Knechtes


Ein faszinierender Aspekt im Kapitel 53 des Propheten Jesaja ist der, dass alle Prinzipien des Evangeliums, die hier höchst deutlich und nachdrücklich betont werden, Lehren sind, die häufig angegriffen werden – durch pseudochristliche Sekten, irrende und abgefallene Glaubensgemeinschaften, falsche Lehrer jeder Art und gewaltige religiöse Institutionen, deren Bindung an die eigene Tradition stärker ist als ihre Verpflichtung der Schrift gegenüber.

Jesaja bestätigt hier unzweideutig die Lehren von der Rechtfertigung aus Glauben, der zugerechneten Gerechtigkeit, der stellvertretenden Sühnung und dem Tod des Messias als ein Opfer, das dargebracht wurde, um der Gerechtigkeit Gottes Genüge zu tun.

Diese Lehren sind genau dieselben Prinzipien, die die protestantischen Reformatoren wiederentdeckten, nachdem sie unter den jahrhundertelang aufgehäuften Irrtümern und erdrückenden kirchlichen Überlieferungen fast erstickt waren. Die Reformatoren entstaubten sie, erkannten ihre wahre Bedeutung und verkündigten sie als wichtige Wahrheiten des Evangeliums. Es sind dieselben Wahrheiten, die auch die Herzen der englischen und amerikanischen Puritaner entflammten. Es sind dieselben Lehren, die auch die geistlichen Erben der Puritaner verkündigten – Männer wie George Whitefield, Jonathan Edwards, Charles Spurgeon und andere. Wenn sie klar und furchtlos von Predigern verkündigt werden, die wirklich an die Autorität der Schrift glauben und sie verkündigen »als das, was es in Wahrheit ist, als Gottes Wort« (1.Thess. 2,13), dann sind diese Wahrheiten schon immer von Gott dafür gebraucht worden, Menschen zu Christus zu ziehen, ganze Gemeinschaften umzugestalten – und manchmal sogar, um eine gesamte Kultur zu reformieren.

In den letzten Jahren kamen einige der verstörendsten Angriffe auf jene Lehren von angeblich protestantischen Autoren, die mit der biblischen Gelehrsamkeit auf eine Weise umgehen, als sei es das Ziel, neue Blickrichtungen auf altbewährte Lehren zu erfinden, neue Auslegungen zentraler Bibelstellen zu entwickeln oder gar eine ganz neue Art von Christentum zu erfinden.

Doch keine ihrer Ideen ist wirklich neu. Seit den Zeiten der Apostel ist jeder wesentliche Aspekt der Evangeliumswahrheit unentwegt von der einen oder anderen Seite her angegriffen worden. In den meisten Briefen des Neuen Testaments werden lehrmäßige Irrtümer angesprochen, die eine Bedrohung für den Glauben und die geistliche Gesundheit der Gläubigen der frühen Gemeinde darstellten. Das klassische Beispiel dafür ist natürlich der Galaterbrief, den Paulus schrieb, um einen Irrtum, der sich in den Gemeinden Galatiens ausbreitete, zu korrigieren und zu verdammen. Falsche Lehrer griffen das Prinzip des sola fide – allein aus Glauben – an, indem sie den Heidenchristen erzählten, dass der Glaube allein kein ausreichendes Mittel zur Rechtfertigung sei. Die falschen Lehrer in Galatien sagten, dass die Neubekehrten aus den Heiden sich zuerst beschneiden lassen müssten.

Andere verbreiten sogar heute noch einen ähnlichen Irrtum, indem sie sagen, die Taufe sei die Neugeburt, von der Jesus in Johannes 3 sprach. Sie behaupten, die Menschen könnten nicht errettet sein, wenn sie nicht getauft seien. Und so wird klammheimlich die Taufe – ein Werk, das verrichtet werden muss – als Bedingung für den Zugang zum Leben als Christ, unterschwellig dem Glauben hinzugefügt. Eine andere aktuell weitverbreitete Sichtweise ist der Gedanke, dass Rechtfertigung ein Prozess sei, der erst dann vollendet sei, wenn Gott im Jüngsten Gericht den Gläubigen für gerecht erklärt. Da meint man ständig, dass das Gerichtsurteil zumindest teilweise von den guten Werken abhängen werde, die derjenige getan habe, über den gerichtet wird.

All solche Sichtweisen zerstören die Wahrheit, dass Gläubige hier und jetzt (und nicht irgendwann in der Zukunft) »aus Gnade errettet [sind] durch den Glauben, und das nicht aus euch – Gottes Gabe ist es; nicht aus Werken, damit niemand sich rühme« (Eph. 2,8-9). Jesus sagt: »Wer Mein Wort hört und Dem glaubt, der Mich gesandt hat, der hat ewiges Leben und kommt nicht ins Gericht, sondern er ist vom Tod zum Leben hindurchgedrungen« (Joh. 5,24). Hier sind die Verbformen von entscheidender Bedeutung. Die Person, die glaubt, »hat ewiges Leben«, als jetzt schon vorhandenes Besitztum. Und es hat sich bereits in der Vergangenheit verwirklicht, dass eine solche Person »vom Tod zum Leben hindurchgedrungen [ist]«.

Die Schrift steckt voller Aussagen, die all diese angefochtenen Wahrheiten des Evangeliums bestätigen. »Wer an [Jesus] glaubt, wird nicht gerichtet; wer aber nicht glaubt, der ist schon gerichtet« (Joh. 3,18). »So sind auch wir an Christus Jesus gläubig geworden, damit wir aus dem Glauben an Christus gerechtfertigt würden und nicht aus Werken des Gesetzes, weil aus Werken des Gesetzes kein Fleisch gerechtfertigt wird« (Gal. 2,16). »Wer dagegen keine Werke verrichtet, sondern an Den glaubt, der den Gottlosen rechtfertigt, dem wird sein Glaube als Gerechtigkeit angerechnet« (Röm. 4,5). »… da hat Er uns – nicht um der Werke der Gerechtigkeit willen, die wir getan hätten, sondern aufgrund Seiner Barmherzigkeit – errettet« (Tit. 3,5). »Wenn aber aus Gnade, so ist es nicht mehr um der Werke willen; sonst ist die Gnade nicht mehr Gnade« (Röm. 11,6).

Die Lehren von der stellvertretenden Bestrafung, der Sühnung durch das Blut und dem Sühnopfer werden auch durch den übrigen Teil der Schrift bestätigt. Eine Reihe bedeutender Texte macht darüber hinaus deutlich, dass es Gott Selbst war, der angeordnet hat, dass Christus für die Sünde sterben solle – und Ihn dann am Kreuz bestrafte (Lk. 24,44-46; Apg. 2,23-24; 4,26-28; Röm. 8,32; 1.Joh. 4,10). »Gott aber hat das, was Er durch den Mund aller Seiner Propheten zuvor verkündigte, dass nämlich der Christus leiden müsse, auf diese Weise erfüllt« (Apg. 3,18).

Doch noch bevor irgendwas vom Neuen Testament geschrieben worden war, hatte Jesaja 53 schon all jene Wahrheiten in Gottes eigenen Worten – und in der schlichtesten Sprache – bestätigt. Einen Vers, nachdem Jesaja schreibt: »Aber dem HERRN gefiel es, Ihn zu zerschlagen; Er ließ Ihn leiden« (Jes. 53,10), spricht der Herr Selbst: »Durch Seine Erkenntnis wird Mein Knecht, der Gerechte, viele gerecht machen, und ihre Sünden wird Er tragen« (V. 11).

Das Aussage ist jeder Religion entgegengesetzt, die je vom menschlichen Verstand ausgedacht wurde. Anstatt den Menschen Anweisungen zu geben, wie sie sich selbst verbessern könnten, um sich die göttliche Gunst zu erwerben, ins Nirwana zu gelangen, Erleuchtung zu gewinnen oder was auch immer, kündigt das Evangelium gemäß Gottes Offenbarung an, dass Jahwes Knecht, der Messias Israels – der Herr der Gemeinde – alles Notwendige tut, um Sünder zu rechtfertigen. Gott stuft sie als gerecht ein, weil Sein Knecht ihre Sünde getragen hat. »Nachdem Seine Seele Mühsal erlitten hat«, sind diese Sünden gesühnt.

Man beachte übrigens, wie sehr dies vielen populären, menschenzentrierten Evangelisationsmethoden zuwiderläuft, die heute in den Gemeinden so weit verbreitet sind. Dieses Evangelium ist kein Aufruf an die Sünder, in Gott ihre Zufriedenheit zu finden, sondern es ist die Mitteilung, dass Gott zufriedengestellt ist durch das, was Sein Knecht um der Sünder willen getan hat.

In den beiden letzten Versen dieser erstaunlichen Prophetie Jesajas führt Gott das Wort. Das wissen wir deswegen, weil die Pronomen vom Plural in den Singular wechseln: »Durch Seine Erkenntnis wird Mein Knecht, der Gerechte, viele gerecht machen, und ihre Sünden wird Er tragen. Darum will Ich ihm die Vielen zum Anteil geben« – und der Kontext macht deutlich, dass jetzt Gott Der ist, der spricht. Der leidende Knecht ist Jahwes Knecht. Diese Stimme kann keine andere sein als die Stimme Gottes.

Gott bezieht sich auf Seinen Knecht als den »Gerechten«. Diese Beschreibung passt ebenso nur auf eine einzige Person in der Geschichte – auf den Herrn Jesus Christus. Die Bibel sagt immer wieder und unzweideutig, dass niemand gerecht sein kann:

»Es gibt keinen Menschen, der nicht sündigt« (1.Kö. 8,46).

»Wer kann sagen: Ich habe mein Herz geläutert,
ich bin rein geworden von meiner Sünde?« (Spr. 20,9).

»Der HERR schaut vom Himmel auf die Menschenkinder,
um zu sehen, ob es einen Verständigen gibt,
einen, der nach Gott fragt.
Sie sind alle abgewichen, allesamt verdorben;
es gibt keinen, der Gutes tut,
auch nicht einen Einzigen!« (Ps. 14,2-3).

»Wenn wir sagen, dass wir keine Sünde haben, so verführen wir uns selbst, und die Wahrheit ist nicht in uns« (1.Joh. 1,8).

Der einzige sündlose Mensch, der jemals gelebt hat, war der Herr Jesus Christus. Auf Seine herausfordernde Frage: »Wer unter euch kann Mich einer Sünde beschuldigen?« (Joh. 8,46), gaben Seine Feinde keine Antwort. Er war der, »der von keiner Sünde wusste« (2.Kor. 5,21); Er war »ohne Sünde« (Hebr. 4,15); »Er hat keine Sünde getan« (1.Pt. 2,22); Er war »heilig, unschuldig, unbefleckt« (Hebr. 7,26); »und in Ihm ist keine Sünde« (1.Joh. 3,5). Nur Er, der Knecht des HERRN, der Messias, kann als »der Gerechte« bezeichnet werden – ein Begriff, der im Neuen Testament wiederholt gebraucht wird, um auf Jesus zu verweisen.

»Ihr habt den Heiligen und Gerechten verleugnet« (Apg. 3,14), verkündet Petrus kühn dem jüdischen Volk. Angesichts seines Todesurteils fordert Stephanus furchtlos seine Ankläger heraus: »Welchen Propheten haben eure Väter nicht verfolgt? Und sie haben die getötet, die vorher das Kommen des Gerechten ankündigten, dessen Verräter und Mörder ihr nun geworden seid!« (Apg. 7,52). Nach Paulus’ dramatischer Begegnung mit dem verherrlichten Christus auf der Straße nach Damaskus sagte Ananias zu ihm: »Der Gott unserer Väter hat dich vorherbestimmt, Seinen Willen zu erkennen und den Gerechten zu sehen und die Stimme aus Seinem Mund zu hören« (Apg. 22,14).

Gott verkündet, dass der Gerechte »viele gerecht machen« werde. Die »Vielen«, die Er gerecht machen wird, sind das Volk Gottes, jene, die glauben und für deren Sünden Er starb und Sühnung erwirkte (Röm. 5,15.19; 1.Kor. 10,33; Hebr. 9,28). Seine Gerechtigkeit wird ihnen zugerechnet, und allein auf dieser Grundlage – aufgrund dessen, was Christus für sie getan hat, und nicht aus irgendeinem eigenen Verdienst – werden sie vor Gott als gerecht angesehen.


Ein Auszug aus dem Buch: 

Das kraftvolle Evangelium (Band 2)
Wie Gott es offenbart hat

Die Prophetie über den leidenden Knecht in Jesaja 53 wird oft als eines der großartigsten Kapitel der Bibel bezeichnet. Es sagt die Kreuzigung Jesu voraus, das zentrale Ereignis in Gottes vollkommenem Plan, Sein Volk zu erlösen.

John MacArthur zieht wichtige Verbindungslinien von der Geschichte Israels zum Neuen Testament – und wir erfahren, wie diese uralte Prophetie uns ein Verständnis für wichtige Wahrheiten schenkt, die unser heutiges Leben prägen.

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Gottes Perspektive auf das Werk des Knechtes

von Sam Derksen Lesezeit: 7 min