Das Joel-Beeke-Interview über die Familienandacht

13 September, 2024

Thema: Andacht, Familie

Das Joel-Beeke-Interview über die Familienandacht

In diesem Interview spricht Dr. Tavis Bohlinger mit Dr. Joel Beeke über die Familienandacht, eine geistliche Disziplin, die ihm sehr am Herzen liegt und über die er in einigen seiner Bücher schreibt.

Wir hoffen, du genießt dieses ausführliche und doch sehr persönliche Interview sowie die Offenheit und Freude, mit der Joel Beeke über die Familienandacht spricht, insbesondere seine Aufforderung an die Väter: »Sei ein Mann, tu es!« Es geht darin um das Wie und Warum der Familienandacht, das puritanische Erbe dieser Praxis und die wesentlichen Ressourcen für jeden Vater und jede Mutter, die ihre Familie in der täglichen Schriftlesung, im Gebet und im Singen anleiten möchten.

Ach, komm schon. Du kannst es schaffen. Sei ein Mann und tu es.
– Joel Beeke


What is Family Worship - Dr. Joel R. Beeke

 

JB: Ich kann also, wenn – wenn ich – wenn ich mit dir spreche, den Namen Tavis verwenden?

TB: Auf jeden Fall. Okay … Und ich kann den Namen Pastor Dr. Beeke oder …

JB: Joel, Joel. Ich meine, du kannst mich nennen, wie du willst. Ich weiß es nicht. Was ist richtig?

TB: Gut, ich nenne dich Joel, wie ich es normalerweise auch tue, es sei denn, du möchtest es anders.

JB: Das ist gut.

TB: Sicher?

JB: Jap.

TB: Okay. Vielen Dank, Joel, dass du dich mit mir zusammengesetzt hast, um mit mir über die Familienandacht zu sprechen.

JB: Ich liebe es, über die Familienandacht zu sprechen!

TB: (lacht) Ja, ich weiß, das habe ich gehört. Und tatsächlich haben wir einige Hilfsmittel, die du zu diesem Zweck verfasst hast, die, wie ich glaube, aus deiner eigenen persönlichen Erfahrung mit deiner Familie stammen, aber auch aus deiner langjährigen Erfahrung als Pastor und deinem Studium der Puritaner. Das sind all die verschiedenen Dinge, über die ich mit dir sprechen möchte. Aber ich denke, ich möchte mit der grundlegenden Frage beginnen: Was ist Familienandacht?

JB: Familienandacht ist eine tägliche, bewusste und anhaltende Gewohnheitsübung der Andacht mit der Familie, bei der man die Heilige Schrift liest, betet, sich über das Gelesene austauscht und die Psalmen oder die Lieder Gottes singt, um die Familie Tag für Tag für Tag zu unterweisen – so dass du am Ende mit deinen Kindern über jedes Thema unter der Sonne sprechen und ihnen dieses ganze Buch, das Buch der Bücher, auf praktische Weise auf ihrem Niveau nahebringen kannst, indem du ihnen Fragen stellst und die Kinder mit dir in einen Dialog treten, sodass die Familie jeden Tag offen über die Sache Gottes spricht.

Familienandacht ist eine tägliche, bewusste und anhaltende Gewohnheitsübung der Andacht mit der Familie, bei der man die Heilige Schrift liest, betet, sich über das Gelesene austauscht und die Psalmen oder die Lieder Gottes singt, um die Familie Tag für Tag für Tag zu unterweisen.

TB: Du erwähntest »das Buch«, und es ist ein dickes Buch. Ich meine, die meisten von uns brauchen vielleicht ein Jahr, wenn nicht mehr, um die Bibel einmal durchzulesen. Und die Treuen unter uns sind vielleicht schneller; aber wie um alles in der Welt soll jemand oder sogar eine Mutter ihren Kindern das ganze Buch nahebringen, vor allem, wenn man bedenkt, dass die Familienandacht oft schon durchgeführt wird, wenn die Kinder noch klein sind und vielleicht noch kein volles Verständnis davon haben?

JB: Also ganz praktisch: Wenn ich Eltern vorschlage, Familienandachten durchzuführen und die Kinder noch sehr jung sind – sagen wir unter 8 Jahren –, sollten sie täglich ausgewählte Abschnitte der Schrift nehmen.

Es gibt bestimmte Bibelbücher, die fast ausschließlich aus Geschichten bestehen; diese sind für sehr junge Kinder geeignet. Das erste Buch Mose ist ein großartiges Buch, das man gut mit der Familie durchnehmen kann, selbst wenn die Kinder noch sehr jung sind; auch die Gleichnisse, die Wunder, die Evangelien. Aber ich würde mit einem Fünfjährigen zum Beispiel nicht den Propheten Hesekiel durchnehmen. Ich würde da weise an die Sache herangehen. Aber ich denke, wenn die Kinder acht oder neun Jahre alt sind, kann man sie mit den richtigen Erklärungen mit Hilfe des sogenannten »Family Worship Bible Guide« (»Ein Leitfaden für Familienandachten«) durch die ganze Bibel führen und sich dabei an J.C. Ryle erinnern, der sagte, dass eine ganze Bibel einen ganzen Christen ausmacht.

TB: Aber worum geht es dabei? Wir haben inzwischen drei Ausgaben des »Family Worship Bible Guide«. Ich glaube, diese TruTone (synthetisches Leder) ist die neueste. Und was ist es, das dich speziell an diesem Buch so begeistert, wie es sich in unserem Gespräch vor dieser Aufnahme angehört hat? Was macht dieses Buch so einzigartig, und warum sollten Familien darüber nachdenken, es zu benutzen, anstatt einfach nur so in die Bibel einzutauchen, wie sie ist?

JB: Nun, wenn man einfach so in die Bibel eintauchen kann und sich als Vater Zeit nimmt, um das vorzubereiten, was man seinen Kindern sagen will, ist das großartig. Das ist wunderbar. Aber nach meiner Erfahrung, die ich bei der Arbeit mit verschiedenen Vätern, bei der Arbeit mit verschiedenen Gemeinden und bei meinen Vorträgen über Familienandachten in ein paar Dutzend verschiedenen Ländern auf der ganzen Welt gemacht habe, sind diese Väter sehr selten und weit verstreut. Ich denke, weniger als 1 % in einer Gemeinde. Ich weiß aber auch, dass ich mit Vätern gesprochen habe, die morgens früh aufstehen und 30 bis 45 Minuten damit beschäftigt sind, sich auf die Familienandacht am Abend vorzubereiten. Preis dem Herrn! Aber die meisten Väter geben am Ende auf. Und was sie dann tun, ist einen Vers aus der Bibel zu lesen und ein kurzes Gebet mit ihren Kindern zu sprechen. Vielleicht singen sie sogar. Aber es gibt keinen Dialog, weil sie sich nicht bereit dazu fühlen. Was sagt man, nachdem man Hesekiel 44 gelesen hat?

Vor etwa einem Dutzend Jahren traf ich mich mit Michael Barrett, der damals in South Carolina lebte, und er erzählte mir, dass es ihm ein dringendes Anliegen war, ein System von Anmerkungen für das Bibelstudium in der KJV zu erstellen, weil es in keiner KJV-Version der Bibel Anmerkungen gab, die in ihrer Theologie wirklich reformiert waren. Und das konnte ich gut nachempfinden. Aber ich sagte ihm, dass es mir ein großes Anliegen sei, nicht nur die Anmerkungen in eine Bibel zu schreiben, sondern hinter den Anmerkungen einen kleinen Abschnitt zu haben, den Väter ihren Kindern vorlesen können und der mit einer Frage endet, um einen Austausch in der Familie anzuregen. Diese Idee gefiel ihm; aber dann haben wir beschlossen: Ah, Mann, das ist zu viel Arbeit. Das würde Jahre dauern.

Also sagte ich: »Lass mich mit Dr. Bilkes vom Puritan Reformed Theological Seminary sprechen. Wenn du bereit bist, das Alte Testament zu übernehmen, Dr. Barrett«, weil das sein Spezialgebiet ist, »und Dr. Bilkes bereit ist, das Neue Testament zu leiten, dann bin ich bereit, der Herausgeber des Ganzen zu sein.« Und ich sprach mit Dr. Bilkes, der sagte, dass er mit demselben Problem rang. Es war demnach fast so, als ob es tatsächlich eine Sache Gottes sei. Wir hatten alle drei ähnliche Gedanken. Also produzierten wir eine Reformation Heritage KJV Studienbibel mit soliden reformierten Anmerkungen und Abschnitten für Familienandachten am Ende jedes Kapitels, was meines Erachtens einzigartig unter allen Studienbibeln ist – ich kenne keine andere. Und dann gab es eine Menge Leute, die den Abschnitt über Familienandacht nutzen wollten, aber nicht die King James Version benutzten.

Also haben wir die Abschnitte für die Familienandacht herausgenommen und in dieses Buch aufgenommen, den »Leitfaden für Familienandachten«, der ziemlich klein aussieht, aber tatsächlich 856 Seiten umfasst, weil er hauchdünnes Papier enthält. Und er vermittelt dir zwei oder drei wichtige Gedanken aus jedem Kapitel der Bibel, das ist das Ziel. Und normalerweise enden die meisten Kapitel mit einer Frage. Im »Leitfaden für Familienandachten« geben wir dir die wichtigsten Erkenntnisse aus dem jeweiligen Kapitel, die du mit deinen Kindern besprechen solltest. Und dann möchten wir dich ermutigen … zum Beispiel, wenn du der Vater bist und diese Fragen und Kommentare liest, kannst du sagen: »Mama, was sagst du dazu? Möchtest du eine Antwort geben?« Und dann wird das eines der Kinder dazu anregen zu antworten. Oder der Vater kann jedes Kind direkt ansprechen und sagen: »Was denkst du darüber? Was ist deine Meinung?« Und so weiter.

Dann kann die Diskussion in viele verschiedene Richtungen gehen und das ist gut. Und selbst wenn ihr vom Thema abweicht, aber immer noch über die göttlichen Dinge redet, ist das gut. Denn der springende Punkt ist: Wenn ihr in der Familie nicht über die göttlichen Dinge redet, werden sie für die Kinder nicht real. Aber wenn ihr tatsächlich Tag für Tag darüber redet, wird das alles real. Es wird zur Realität. Es wird zum wichtigsten Teil des Tages, zum wichtigsten Teil meines Lebens und die Sache Gottes wird lebendig, lebenswichtig, würden die Puritaner sagen, lebendig, atmend – und genau das wollen wir in unseren Familienandachten. Wir wollen echte Gemeinschaft mit Gott und echte Gemeinschaft untereinander.

TB: Ich weiß, dass das auch in meiner eigenen Familie so ist … Ich habe drei Kinder und bin verheiratet, und wenn ich über unsere Familienandachten nachdenke, haben wir es immer wieder versucht. Wir haben in der Vergangenheit so oft aufgehört und wieder angefangen. Und als jemand, der wie ich ein Studium absolviert und lange Zeit die Bibel studiert hat, hatte ich das Gefühl, dass ich eigentlich einen Vorsprung haben müsste, und das war wahrscheinlich ziemlich anmaßend von mir zu denken, nur weil ich die Ausbildung hatte. Aber die Realität des Familienlebens ist, wie wir alle wissen, manchmal ziemlich chaotisch. Als ich über das Thema der Familienandacht nachdachte, stellte ich fest, dass wir alle in unserem Familienalltag bestimmte Muster haben, zum Beispiel dass es um diese Zeit das Essen gibt oder dass die Kinder um diese Zeit in der Schule sind. So setzen wir im Laufe des Tages Prioritäten, und ich schäme mich zu sagen, dass die Familienandacht oft zu einer nebensächlichen Option geworden war. Aber wenn ich die Einleitung des »Leitfadens für Familienandachten« lese, betonst du sehr nachdrücklich, dass das keine Option ist.

Wenn du keine Familienandachten hältst, … nimmst du Gott einfach als selbstverständlich hin.  

JB: Richtig. Ja, ich will damit sagen, dass dies der wichtigste Teil deines Lebens als Vater ist. Und das ist deine Pflicht und Schuldigkeit vor Gott. Du denkst also nicht daran, es an irgendeinem Tag auszulassen. Der einzige Tag, an dem wir es nicht tun, ist der Sonntag, weil wir vom Mittagstisch direkt zum zweiten Gottesdienst in der Gemeinde gehen und den ganzen Tag über Gottesdienst feiern. Aber es wäre gut, es auch am Sonntag zu tun. Aber wenn ich es nicht machen würde, wenn unsere Kinder zu Hause sind, wenn ich es einen Tag nicht machen würde, wenn wir uns nach dem Abendessen zurücklehnen, würden meine Kinder mich ansehen und fragen: Was ist mit dir passiert, Papa? Bist du krank? (lacht) Also, weißt du, alle Ausreden, die wir als Männer benutzen, um uns da herauszuwinden, sind sinnlos.

Ich habe schon Männer sagen hören: »Ich bin nach dem Abendessen so müde, ich könnte es einfach nicht mehr schaffen. Ich könnte nicht mal eine 10-minütige Familienandacht halten.« Und ich antworte: »Ach, komm schon. Weißt du, wenn dein Retter Sein Kreuz den ganzen Weg nach Golgatha tragen konnte und darunter sogar zusammengebrochen ist, und dennoch hingegangen und für dich gestorben ist, kannst du dann nicht wenigstens für Ihn leben? Und für Ihn zu leben bedeutet zuallererst, die Familienandacht zu halten, 10 Minuten am Tag. Du kannst 10 Minuten bewältigen. Das kannst du wirklich. Also erlaube dir einfach keine Ausreden.«

Andere Väter haben mir gesagt: »Ich kann das nicht machen, nachdem ich gerade ein Kind angeschrien habe, weißt du? Ich fühle mich dann total schlecht.« Nun, dann musst du es erst recht tun. Du musst Gott deine Schuld bekennen. Du musst Ihn in Gegenwart deiner Kinder um Buße bitten und eine Familienandacht halten. Es ist ähnlich wie beim Zähneputzen. Es ist so, als würdest du ins Bad gehen. Wie du schon sagtest, sind diese Gewohnheiten so selbstverständlich wie die Mahlzeiten. Du lässt sie nicht aus, weil du sie einfach tun musst. Das ist eine Gewohnheit. Die Puritaner sprachen viel davon, dass man heilige Gewohnheiten entwickeln soll, und das ist eine davon: die Familienandacht.

TB: Zu den Puritanern: Du hast dich natürlich mit den Puritanern beschäftigt – das ist eine Untertreibung –, du hast die Puritaner ausgiebig studiert. Diese Praxis der Familienandacht, hat sie mit den Puritanern begonnen oder gab es sie schon vor ihnen? Und die nächste Frage wäre, warum du die Puritaner als Vorbild für die Familienandachten nimmst?

JB: Es ist ein bisschen älter als die Puritaner, aber die Puritaner waren sorgfältiger im Bereich der Familienandachten als jede andere Gruppe vor ihnen. Und mit Puritanern meine ich auch puritanische Gruppen im Allgemeinen. Ich würde also die schottischen Covenanters und Divines und die deutschen Pietisten und die niederländischen Reformatoren und die Neuengland-Puritaner sowie die englischen Puritaner dazu zählen. Sie haben sich mehr auf die Heilige Schrift gestützt. Für die vier Teile der Familienandacht als Ganzes brachten sie zum Beispiel Texte wie Josua 24,15 vor: »Ich aber und mein Haus, wir wollen dem HERRN dienen« bzw. wir wollen den Herrn anbeten; und 5. Mose 6,6-7: »Wir wollen unsere Kinder täglich gewissenhaft unterweisen!« Und dann suchten sie sich bestimmte Teile heraus. Für die tägliche Schriftlesung gingen sie zu 2. Timotheus 3. Sie griffen auf Texte wie 5. Mose 6 zurück, in dem es heißt, dass du mit deinen Kindern davon reden sollst, wenn du aufstehst und wenn du dich hinlegst.

Das sind also tägliche Aktivitäten, bei denen ihr mit euren Kindern über das, was ihr lest, sprecht. Und sie nahmen sich Psalm 118,15 vor – Musik erklang in den Zelten der Gerechten. Und sie sagten, dass damit die Familienandacht gemeint war, bei der jeden Tag gesungen wurde. Und natürlich gehören zum Gebet eine ganze Reihe von Bibeltexten, die u. a. besagen, dass wir »unsere eigene Versammlung nicht verlassen« sollen. Thomas Brooks hatte ein starkes Zeugnis für das Gebet in der Familie. Er sagte: »Eine Familie, die nicht jeden Tag zusammen betet, ist wie ein Haus ohne Dach, das allen Stürmen des Himmels ausgesetzt ist.« Nun, das ist eine ziemlich beängstigende Sache. Aber weißt du, in Jeremia lesen wir, dass der Zorn Gottes über die Familie ausgegossen wird, die nicht gemeinsam betet. Das ist unglaublich. Und natürlich sagt uns Paulus in 1. Timotheus 4,4-5, dass alles durch Gebet geheiligt werden soll.

Die Puritaner trugen all dies zusammen und schrieben ganze Bücher darüber. Einige Puritaner schrieben Bücher über die Familienandacht und machten sie zu ihrer täglichen Praxis und nannten sie einen kleinen Gottesdienst im eigenen Haus. Er diente der Vorbereitung auf den nächsten »Tag des Herrn«. Das war eine sehr gute Methode, um Kindern beizubringen, in der Familienandacht still zu sitzen, damit sie schon sehr früh, mit zwei oder höchstens drei Jahren, am öffentlichen Gottesdienst teilnehmen konnten. Und sie erlaubten keine Unterbrechungen während der Familienandacht, weil sie so etwas Heiliges war. Übertragen wir das mal auf heute. Wenn das Telefon klingelt, gehst du nicht ran. Niemand zuckt mit der Wimper, wenn das Telefon klingelt, während du eine Familienandacht hältst, denn sie werden eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen, oder sie werden zurückrufen. Du befindest dich in der Audienz des Königs der Könige. Das ist das Wichtigste, was du tun kannst. Das ist eine heilige Zeit mit deiner Familie.

TB: Das ist eine interessante Aussage darüber, dass wir uns im Grunde in der Gegenwart des Königs befinden. Ich habe das Gefühl, dass das in der Praxis der Familienandacht oft übersehen wird, weil die Betonung so sehr auf dem Mann oder der Frau liegt, die die Andacht leitet, du weißt, für ihre Kinder. Das kann manchmal als eine sehr menschenzentrierte Praxis erscheinen. Ich habe sogar schon mit Leuten diskutiert, die meinen, es sei fast schon gesetzlich, seiner Familie so etwas aufzuerlegen. Du weißt: »Vielleicht solltest du die Dinge etwas freier angehen.« Aber letztendlich treten wir dabei vor Gott; wir bekommen ein Bewusstsein für coram Deo.

TB: Kannst du mehr über den Ernst dessen sagen, was wir bei der Anbetung Gottes eigentlich tun?

Wenn dein Retter Sein Kreuz den ganzen Weg nach Golgatha tragen konnte …, kannst du dann nicht wenigstens für Ihn leben? Und für Ihn zu leben bedeutet zuallererst, die Familienandacht zu halten.

JB: Ja. Die Puritaner sagten also, dass die Zeit der Gemeinschaft mit deiner Familie auf der horizontalen Ebene wichtig ist und die Zeit der Gemeinschaft mit deiner Familie mit Gott auf der vertikalen Ebene. Nehmen wir an, ihr habt eine gemeinsame Mahlzeit. Stell dir vor, dein Vater würde sagen: »Niemand darf bei dieser Mahlzeit reden. Keiner darf überhaupt etwas sagen. Wir werden einfach nur essen.« Du würdest sagen: »Wow, irgendwas läuft hier falsch. In dieser Familie gibt es keine Gemeinschaft. Das ist unnatürlich.« Der Punkt ist also, dass es sich hierbei nicht um etwas Gesetzliches handelt. Es ist keine unechte Sache. Es ist genau das Gegenteil, wenn du dich dann zurücklehnst. Und zumindest wir haben das so gemacht. Wir haben die Familienandacht direkt nach dem Abendessen abgehalten – das ist die beste Zeit des Tages, um das zu tun. Du gehst automatisch zur Familienandacht über, und das wird euch zu einer heiligen Gewohnheit. Das wird etwas sehr Natürliches. Und tatsächlich entwickelst du in der Gegenwart Gottes eine vertikale Beziehung.

Und du erkennst das biblische Gleichgewicht, dass wir sowohl die Vertikale als auch die Horizontale brauchen, und du bringst sie einfach zusammen. Das ist alles sehr natürlich. Das heißt aber nicht, dass bei der Familienandacht nicht gelacht werden dürfe. Es heißt nicht, dass man sich nicht auch mal ein bisschen necken kann, wenn man Fragen diskutiert bzw. nicht einer Meinung ist. Das sollte ganz natürlich sein. Aber im Großen und Ganzen sollte ein Gefühl dafür vorhanden sein, dass »wir in der Gegenwart Gottes sind«. Es gibt also eine gewisse Ernsthaftigkeit. Mose nennt es in 5. Mose 6,7: »einschärfen« oder »mit Eifer lehren«. Der Vater ist dabei also eifrig. Das ist wichtig, das ist der wichtigste Teil unseres Tages.

Ich möchte dir ein Beispiel dafür geben, das mir wirklich passiert ist und das dies für mich persönlich unterstreicht: Als ich in einem osteuropäischen Land war, kam ich aus einer Vorlesung über systematische Theologie und ging in mein Apartment. Als ich die Tür schließen wollte, stießen zwei Männer die Tür auf. Der eine schlug mich und sie fesselten mich, indem sie mir die Hände hinter dem Rücken zusammenbanden, etwas über meine Augen und um die Knöchel banden, und sie steckten mir einen Lappen in den Mund, um mich zu knebeln. Sie nahmen mir alles weg und riefen immer wieder, dass sie die Mafia seien. Und ich war fest davon überzeugt, dass ich nun ein toter Mann sein würde.

Tatsächlich lag ich da und betete, und Gott war sehr gnädig zu mir, als ich da lag, indem Er mir eine Verheißung nach der anderen schenkte, Gedanken, die nicht von mir kamen, sondern die Gott in mein Gedächtnis legte – so empfand ich es. Und alles über das Blut Christi und darüber, dass meine Errettung sicher war in diesem Blut und hatte Frieden. Ich habe eigentlich nicht einmal darum gebetet, dass ich überleben würde. Das hielt ich einfach für unmöglich. Ich übergab meine Kinder und meine Frau und die verschiedenen Dienste, die ich tat, Gott.

Aber mittendrin dachte ich plötzlich: Was würde ich meinen Kindern sagen, wenn ich noch einmal zu ihnen sprechen könnte? Nun, ich habe viele Unzulänglichkeiten als Vater. Und ich wünschte, ich hätte mehr Zeit mit meinen Kindern verbracht, und all diese Aspekte natürlich. Aber in diesem besonderen Moment in meinem Leben wurde mir klar, dass es hunderte von Dingen gibt, über die ich ohne die Familienandachten nie mit meinen Kindern gesprochen hätte; aber mir fiel nichts ein, worüber ich nicht schon einmal mit ihnen gesprochen hatte. Das verdanke ich diesem heiligen Buch. Nimm allein das Buch der Sprüche. Es spricht über jedes Thema unter der Sonne: alle Versuchungen, alle Freuden und alle Sorgen des Lebens. Denk an die Psalmen. Am Ende kannst du mit deinen Kindern über all diese Dinge sprechen. Die Familienandacht ist also ein hervorragendes Mittel, das dir hilft, deiner Verantwortung gerecht zu werden, deine Kinder in jeder Hinsicht in der Zucht und Ermahnung des Herrn aufzuziehen.

TB: Das ist fast schon entmutigend. Stimmt’s? Ich meine, als Vater denke ich: Okay, wenn ich morgen mit dem »Leitfaden für Familienandachten« anfange, muss ich etwa 1200 Kapitel oder so in der Bibel durcharbeiten.

JB: 1.169.

TB: Ja, gut. Ich runde gerne auf. (lacht) Das sind also drei, vier Jahre voller Fleiß. Und in der heutigen Welt klingt das nach einer ziemlich langen Zeit. Welche Ermutigung kannst du den Familien und Familienoberhäuptern geben?

JB: Nun, wenn du es dir einmal zur Gewohnheit gemacht hast, wenn du es mehr als einen Monat lang machst, wird es zur Routine. Und dann denkst du gar nicht mehr an solche Kategorien. Aber ich habe nachgerechnet und gesagt, dass du, wenn dein Kind 20 Jahre lang bei dir zu Hause lebt, von der Geburt des Babys an bis zu dem Zeitpunkt, an dem es 20 Jahre alt ist, 7.300 Gelegenheiten hast, Tag für Tag mit deinen Kindern im Rahmen der Familienandacht zu sprechen. Du denkst, das ist viel, aber du blinzelst ein paar Mal und schon sind sie nicht mehr da.

Ich meine, meine Frau und ich haben jetzt ein leeres Nest, aber wir haben uns so sehr daran gewöhnt, Familienandachten zu halten, dass wir auch weiterhin Familienandachten halten, nur wir beide, ganz wie gewohnt. Und wir lieben es. Und wir stellen uns auch heute noch die gleichen Fragen. Und es wird einfach zu einer heiligen Gewohnheit. Und man gewöhnt sich daran. Wir wollen nicht durch die Bibel hetzen. Man gewöhnt sich daran, dass man 3, 4, 5 Jahre braucht, um die Bibel durchzuarbeiten. Ich glaube, wir haben manchmal länger gebraucht, ich würde sagen, wir haben wahrscheinlich fünf Jahre gebraucht. Denn wir haben sie langsam durchgesprochen. Und oft haben wir nicht ein ganzes Kapitel gelesen. Manchmal lasen wir nur 12 oder 15 Verse, vor allem in den Paulusbriefen, die so bedeutsam sind und über die es so viel zu reden gibt.

Und so sind wir, ich schätze mal, viermal die ganze Bibel mit unseren Kindern durchgegangen. Wenn wir uns beeilt hätten, dann hätten wir sie auch zehnmal durchlesen können; aber ich denke, es ist besser, langsam und nachdenklich und ausführlich zu lesen und darüber zu sprechen, als 30 oder 40 Verse zu lesen und nur oberflächlich zu betrachten. Und das Schöne, das wirklich Großartige ist, dass, wenn es in deiner Familie zu einer heiligen Gewohnheit wird und deine Kinder Gläubige heiraten und sie selbst gläubig sind, sie nicht einmal darüber nachdenken, ob sie Familienandachten halten sollen oder nicht, weil es in ihrer Familie schon seit 20 Jahren zur heiligen Gewohnheit geworden ist. Also tun sie es einfach automatisch. Ich musste meine Kinder nicht einmal fragen: »Wollt ihr Familienandachten in eurer Familie feiern?«

Das wäre so, als würdest du sie fragen: »Wenn ihr heiratet, werdet ihr dann noch eure Zähne putzen?« Natürlich werden sie es tun. Die Frage ist nicht: Werden wir es tun? Und genau das passiert, wenn du es einen Monat lang gemacht hast und anfängst, die Vorteile davon zu spüren. Die Frage lautet dann nicht mehr: Werden wir es tun? Die einzige Herausforderung ist dann: »O Gott, hilf mir, dies zur Erbauung meiner Familie zu tun; hilf mir, es gut zu machen. Lass Deinen Segen auf unseren schwachen Bemühungen ruhen!« Es ist genauso wie am Sonntag. Wenn du ein Christ bist, ist es keine Frage, ob wir zur Gemeinde gehen oder nicht, ob wir [den Gottesdienst] diesen Sonntag ausfallen lassen. Nein, es ist eine heilige Gewohnheit. Also gehst du automatisch in den Gottesdienst. Darum geht es hier nicht. Es geht darum, Gott zu bitten: »Herr, wirst Du mich dort segnen? Wirst Du mir helfen, Dich dort im Geist und in der Wahrheit anzubeten und die Herrlichkeit dorthin zu bringen?« Das ist die Frage.

TB: Es geht also darum, die üblichen Hindernisse zu überwinden. Ich bin müde. Ich fühle mich einfach nicht danach. Wir sind zu beschäftigt, weißt du, Papa ist weg. Also lassen wir es ausfallen.

JB: Ja. Papa ist weg. Mama macht es. Weißt du, so einfach ist das, und du lässt es nicht ausfallen. Niemals. Ich will nicht kleinlich sein, wenn ich das sage, aber ich glaube, die Leute, die sich angewöhnt haben, Familienandachten zu halten, denken bei sich selbst: Gott ist es wert. Und mein Gewissen würde wie mit einem Megaphon schreien, wenn ich es nicht täte. Deshalb sage ich den Leuten gern, dass sie aufhören sollen, sich Gedanken darüber zu machen, ob sie es ausfallen lassen sollen. Das werde ich nicht tun. Sag dir einfach: »Ich werde es nicht ausfallen lassen. Ich mache es.« Und übe dich in Selbstdisziplin.

Ich meine, wie Matthew Henry sagte, George Whitefield sagte etwas Ähnliches: »Es braucht keine außergewöhnlichen Fähigkeiten, um deine Familie 10 Minuten lang im Familiengottesdienst zu leiten, wenn du nur über ein paar gewöhnliche Gaben verfügst.« Und jetzt, da du das hier hast (hält den »Leitfaden für Familienandachten« hoch), wo die Arbeit für dich getan wurde, brauchst du nur noch ein bisschen zu lesen und dann einen kurzen Austausch anzuregen. Ach, komm schon. Du kannst es schaffen. Sei ein Mann und tu es. Weißt du, das ist es, was ich den Leuten sagen möchte, vor allem den Vätern. Ich sehe es so: Wir neigen dazu, alle wichtigen Dinge im Leben als selbstverständlich anzusehen. Wir neigen dazu, unsere Ehepartner, unsere Kinder, unsere Eltern, Gott für selbstverständlich zu halten.

Wenn du keine Familienandachten hältst, widersprichst du nicht nur in vielerlei Hinsicht und an vielen Stellen dem, was in der Bibel steht, sondern du nimmst Gott einfach als selbstverständlich hin. Du meinst, du willst dich nicht einmal für 5 oder 10 Minuten am Tag mit deiner Familie niederknien, um den Gott anzuerkennen, dem du alles verdankst? Das kommt mir ziemlich undankbar vor. »Ich aber und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen!« Du weißt, dass Josua dies in seiner Abschiedsrede an Israel sagte, als er hundert Jahre alt war. Wie konnte er wissen, dass die Familien damit fortfahren würden, weiterhin den Herrn anzubeten, nachdem er gegangen war? Nun, weil er das Verhaltensmuster vorgegeben hatte, und das würden sie nicht aufgeben, es sei denn, sie wären schlichtweg Ungläubige.

Mach daraus keinen Berg, der über das hinausgeht, was du tun musst – nimm es ernst, setze es demütig und schlicht um, bete um Segen dafür, aber tu es einfach. Du kannst es.

TB: Du sprichst also von diesen drei Hauptaspekten der Familienandacht, die, zumindest so, wie du sie im »Leitfaden für Familienandachten« beschrieben hast, das Wesentliche sind. Also einfach gesagt: Wort, Gebet und Musik? Ist das richtig?

JB: Ja. Und das Wort ist in zwei Aspekte gegliedert. Nicht wahr? Es geht um das Lesen des Wortes und dann das Erklären des Wortes. Es sind also drei Teile, oder man könnte es als vier Teile bezeichnen, wenn man den Bereich des Wortes in zwei Bereiche unterteilt.

TB: Können wir ein wenig über diese drei Aspekte sprechen? Denn es scheint, als gäbe es bei jedem dieser Aspekte eine andere Dynamik unter den anwesenden Familienmitgliedern. Zu bestimmten Zeiten übernimmt der Vater die Führung, zum Beispiel wenn es darum geht, zu erklären, was an diesem Tag betrachtet wurde, welches Kapitel durchgenommen wurde. Wenn es um das Lesen der Heiligen Schrift geht, redest du darüber, dass die Kinder natürlich je nach Alter und Fähigkeiten in diesen Bereich eingeführt werden sollen. Und wenn es um das Gebet geht, nehme ich an, dass es ähnlich ist, wo du auch andere Familienmitglieder daran teilhaben lässt?

JB: Ja, ja. So habe ich es gemacht. Ich meine, jeder Vater muss da seinen eigenen Weg finden. Nach dem, was ich bei den Puritanern lesen kann, hat bei den meisten von ihnen nur der Vater gebetet; aber ich glaube, dass es sehr wichtig ist, dass wir unseren Kindern das Beten beibringen, auch wenn der Heilige Geist allein sie lehren kann, wirklich zu beten. Aber wenn sie erwachsen werden – und ich habe zu viele Fälle gesehen, in denen Menschen nicht laut gebetet haben, bis sie geheiratet haben –, dann fühlt sich der Mann sehr unzulänglich zum Beten. Wichtig ist also, dass der Vater das Oberhaupt des Hauses ist und die Familienandacht leitet.

In der Regel sagte ich also zu meiner Familie: »Okay, heute Abend lesen wir 15 Verse.« Ich nannte ihnen die Verse. Jeder hatte seine Bibel auf dem Schoß. Wir benutzten unterschiedliches Studienmaterial, damit wir uns gegenseitig fragen konnten, was in den verschiedenen Hilfsmitteln zu einer bestimmten Frage steht, und so vergleichen konnten. Es waren drei Kinder, also waren wir zu fünft. Jeder von uns las dann drei Verse vor, beginnend mit dem und dem Vers, dann ging es im Kreis weiter. Und wenn wir fertig gelesen hatten, betete ich. Dann lasen wir den »Leitfaden für Familienandachten« und sprachen darüber. Als die Kinder klein waren, dauerte unsere Diskussion vielleicht drei Minuten. Je älter sie wurden, desto länger dauerte es, vielleicht fünf, manchmal auch sieben, aber das ist unvorhersehbar. Manchmal blieb ein Kind vielleicht noch, nachdem die Familienandacht vorbei war, und stellte weitere Fragen. Manchmal dauerte die ganze Familienandacht vielleicht 10 oder 12 Minuten. Aber nach dem Austausch haben wir dann wieder gebetet. Meistens betete ich auch vorher, noch bevor ich aus der Bibel vorlas.

Wir beendeten die Familienandacht also mit einem Gebet, aber dabei sagte ich zu ihnen: Mary, Calvin, Lydia, Esther, wer auch immer an der Reihe war, soll mit Gebet abschließen. Ich fand es sehr hilfreich, dass ich mit einem Eröffnungsgebet den Anfang machte. Und dann würde einer von ihnen mit einem Gebet abschließen. Was natürlich auch passierte, war Folgendes: Mein Sohn saß auf meinem Schoß. Ich habe die kleinen Kinder immer auf meinen Schoß genommen, wenn ich Familienandachten hielt. Denn du willst ihnen direkt in die Augen schauen und keine Ablenkung zulassen. Als Calvin, unser Erstgeborener, drei Jahre alt war, sagte er eines Tages zu mir: »Papa, kann ich das Papa-Gebet sprechen, anstatt nur das übliche Gebet?« Und ich dachte: Hmm, warum nicht? Also sagte ich: »Okay, ich werde dir ein paar Dinge ins Ohr flüstern. Du sagst sie. Ich flüstere ein paar mehr. Du sagst sie.«

Und das haben wir dann ein ganzes Jahr lang gemacht, wenn er mit dem Beten dran war. Als er dann vier war, sagte ich: »Okay, jetzt bist du vier. Du lernst jetzt, besser alleine zu denken. Du fängst mit dem Gebet an. Und wenn du nicht weiterkommst, stößt du mir einfach mit dem Ellbogen in die Seite, damit ich weiß, dass du Hilfe brauchst und ich einspringen kann.« Und das haben wir so gemacht, bis er sieben war. Und als er dann sieben Jahre alt war, sagte ich: »Okay, jetzt übernimmst du das ganze Gebet.« Und im Nachhinein denke ich, dass das eine weise Entscheidung war, denn als sie etwa sieben Jahre alt waren – ich glaube, Gott hat uns gesegnet – konnten sie ein ganzes Gebet allein sprechen. Ich meine, hin und wieder muss man ein wenig fehlgeleitete Theologie korrigieren (lacht).

Aber als sie sieben Jahre alt waren, haben sie das ganze Gebet alleine gesprochen. Und wenn sie Freunde zu Besuch hatten, war eines unserer Kinder zwar noch etwas zurückhaltend, weil es von Natur aus sehr schüchtern war; aber die beiden anderen beteten sehr frei vor ihren Freunden. Und so war das Schamgefühl beim Beten verschwunden. Natürlich bedeutet das noch nicht, dass sie errettet waren. Deine Kinder brauchen immer noch die Wiedergeburt. Ja. Aber wir fanden das sehr hilfreich.

Und nachdem sie gebetet haben, haben wir immer gesungen, und das Schöne am Singen ist, dass wir meistens Psalmen aus unserem Psalter-Buch singen, das viermal 50 Lieder enthält. Wenn du das jeden Tag machst, ist es erstaunlich, wie gut sich die Kinder das einprägen können. Als sie dann in ihren Teenagerjahren waren, haben wir meistens nicht einmal ein Buch aufgeschlagen, um die Psalmen zu singen.

Ich fing einfach an, ein bestimmtes Lied zu singen, und alle stimmten mit ein, oder wir sagten: »O, Nummer so und so«, und alle wussten, was es war, und wir sangen einfach drauf los, weißt du? Und unsere Tochter setzte sich ans Klavier. Sie war eine wirklich gute Klavierspielerin und spielte dazu, bzw. wir standen um sie herum am Klavier. Ah, das war großartig. Das ist das, was ich am meisten vermisse, seit die Kinder nicht mehr zu Hause sind: um das Klavier herumstehen und Gott preisen. Das sind glückliche Zeiten! Sie sind zwar schlicht, aber es sind glückliche Zeiten. Es sind heilige Zeiten. Es sind erfüllende Zeiten. Und es sind auf die Ewigkeit vorbereitende Zeiten.

TB: Aber was ist mit Familien, in denen es vielleicht nicht so viele musikalische Begabungen gibt?

JB: O, das bin ich! (lacht)

TB: Ich kann mir auch vorstellen, dass es Familien gibt, die zum Beispiel aus anderen Kreisen der christlichen Gesellschaft kommen, die keine Ahnung haben, was ein Psalter ist, bzw. die keine Gesangbücher benutzen und deren Repertoire an christlichen Liedern recht begrenzt ist. Hast du vielleicht einen zweiten Band, der ebenfalls Psalmlieder enthält, oder kennst du einen Weg, solche Familien zu ermutigen?

JB: Ja. Du kannst heritagebooks.org anschreiben und dir dort den Psalter besorgen, ich glaube, er kostet 12 Dollar oder so ähnlich. Es kostet nicht viel, und du fängst einfach an zu singen, und es ist egal, ob du ein bisschen falsch singst oder nicht. Ich bin ein schrecklicher Sänger. Zumindest sagen mir alle, dass es zwar für mich immer so klingt, als ob ich richtig singe, aber niemand sonst denkt so. Ich meine, in der Familienandacht haben unsere Kinder manchmal mit mir gescherzt. »Papa, du hast tatsächlich drei Töne hintereinander richtig gesungen.« (lacht) Sie haben alle richtig gesungen; aber sie ermutigen mich immer zum Singen. Sie sagen: »Wir hören dich gern singen, auch wenn du nicht richtig singst.« »Jauchzt dem HERRN …!« (Ps. 100,1). Da steht nicht: »Jauchzt dem HERRN mit reinem Klang!« (lacht) Aber im Himmel werden wir alle richtig singen. Genau. Das ist für mich ein großartiger Gedanke. Ja, ich bin ein schrecklicher Sänger, und als unsere Tochter heiratete, haben wir das Musikinstrument vermisst; aber man kann trotzdem a cappella singen. Das ist auch gut.

TB: Ich bin wirklich neugierig auf deine eigene Erfahrung: Hattest du diese Neigung – ich würde es sogar einen Drang nennen –, zur Familienandacht … Ist das etwas, das dir schon als Kind von deinem Vater oder deiner Mutter beigebracht wurde, oder ist das etwas, das du durch dein Studium der Puritaner gelernt und dadurch gefestigt hast? Der Grund, warum ich diese Frage stelle, ist der, dass dies heutzutage bei den meisten Christen nicht mehr üblich ist, würde ich sagen. Viele von uns müssen also bei null anfangen.

JB: Ja, ich habe also nicht bei null angefangen, denn mein Vater gehörte zur niederländischen Tradition. Die niederländische Tradition sah so aus, dass man vor dem Essen betet, und zwar nicht nur ein einminütiges Gebet. Normalerweise ist es ein drei- bis vierminütiges Gebet, in dem du über eine Reihe von Dingen betest. Anbetung, Bekenntnis, Danksagung und Fürbitte: Du betest Gott an, bekennst Ihm deine Sünden und dankst dem Herrn und dann flehst du. Das ist ganz typisch. Und mein Vater konnte wirklich gut beten. Ihm liefen beim Beten oft die Tränen über das Gesicht. Er hat sehr warmherzig gebetet. Und wie oft hörte ich ihn beten: »Herr, wir können keines unserer Kinder im Himmel vermissen; bitte, bitte rette sie alle! Bitte rette sie alle jetzt!« Oder er sagte: »Lass unser Leben nichts anderes sein als die Vorbereitung auf die Begegnung mit unserem Schöpfer im Frieden und in der Gerechtigkeit Christi.«

Ich meine, das muss er wohl tausendmal gesagt haben. Es gab unvergessliche Dinge, die er im Gebet sagte, die sicher bei uns fünf Geschwistern einen tiefen Eindruck hinterlassen haben; und am Ende des Essens las man in der niederländischen Tradition immer einen Abschnitt aus der Heiligen Schrift. Das ist einfach Standard für reformierte Gemeindeglieder. Das haben sie alle gemacht. Und dann wurde wieder gebetet. Manche Väter beten am Ende einfach das Vater-Unser, oder sie machen es umgekehrt: Sie beginnen mit dem Vater-Unser, und am Ende beten sie, was ihnen auf dem Herzen liegt. Aber das war’s dann auch schon. Und es wird nicht darüber gesprochen. Und es gibt kein gemeinsames Lesen und kein gemeinsames Beten. Papa machte einfach alles. Und so schalten die Kinder sehr schnell ab. Und es wurde nicht gesungen. Das ist der typische niederländisch-reformierte Hintergrund. Damit bin ich aufgewachsen. Aber mein Vater war auch ein sehr gottesfürchtiger Mann. Seine Gebete waren sehr ernsthaft. Und das bedeutete mir viel.

Als mein Sohn drei Jahre alt war, bekam ich den Auftrag, in Südafrika über Familienandachten zu sprechen. Das hat mein Leben verändert. Ich verbrachte den größten Teil eines Sommers damit, mich auf diese Vorträge vorzubereiten; denn als ich die alte Literatur las, wurde mir klar: Wow, das war eine viel größere Sache im 16. und 17. Jahrhundert, als es das heute ist. Und als ich meine Notizen fertig hatte, war ich so überzeugt, dass ich zu meiner Frau sagte: »So wollen wir unsere Familienandachten verändern.«

Also führte ich das Singen und das Sprechen zu den Kindern ein, sowie das Gespräch und den Dialog und das Ketakeo, wie die Puritaner es nannten, die Fragen und Antworten, bei denen man jedem Kind eine Frage entsprechend seiner Altersstufe stellt. Dann bin ich nach Südafrika gereist und habe dort, glaube ich, fünf Vorträge gehalten. Und der Vortrag über Familienandachten machte weit mehr Eindruck als alle anderen vier Vorträge zusammen. Gleich danach ging ich in mein Zimmer. Ich spürte, dass der Herr mir wirklich auf wunderbare – ungewöhnlich wunderbare – Weise half. Und ich war sehr überzeugt von dem, was ich gesagt hatte.

Ich kam zurück in die Cafeteria, wo sie zu Mittag aßen. Ich war in meinem Zimmer gewesen und hatte eine Weile gebetet, dass Gott alles Gesagte segnen möge. Als ich zurückkam, waren alle am Essen, aber niemand sagte ein Wort. Es war still. Du weißt ja, wie es in einer Cafeteria normalerweise zugeht. Also fragte ich den Mann neben mir. Ich fragte: »Was ist hier los?« Er antwortete: »Nun, der Präsident der Potchefstroom Universität, einer Universität mit 20 000 Studenten, wurde gebeten, vor dem Essen zu beten. Und war zusammengebrochen und hatte gesagt: »Ich habe mich schuldig gemacht. Ich habe keine Familienandacht gehalten!« Und er hat gesagt: »Ich möchte, dass jeder Prediger, der an dieser Konferenz teilnimmt, diese ganze Box mit Videokassetten bestellt. Ich möchte, dass ihr genug Kassetten für jede Familie in eurer Gemeinde bestellt. Und ich möchte, dass ihr Familienandachten fördert.«

Und offenbar hat dieser Mann mit seinem Geständnis im Gebet so viel Eindruck gemacht, dass nachdem er »Amen« gesagt hatte, niemand mehr sprach. Sie waren einfach tief betroffen. In diesem Moment gab es ein Empfinden der überführenden Gegenwart des Herrn, wie ich es selten bei einer Konferenz erlebt hatte. Nach dem Essen kam jener Mann auf mich zu. Und er sagte: »Ich möchte, dass du mir eine Sache versprichst. Ich möchte, dass du aus diesem Vortrag ein Buch machst und den Leuten erzählst, wie sie es mit der Familienandacht halten sollen. Du musst es veröffentlichen. Das ist eine verlorengegangene Kunst, eine in Vergessenheit geratene geistliche Disziplin.« Ich versprach ihm auf der Stelle, dass ich das tun würde.

So ist dieses Buch entstanden: »Die Familienandacht neu entdecken«. Und dieses Buch ist der Begleitband zum »Leitfaden für Familienandachten«, den ein Vater in eineinhalb bis maximal zwei Stunden durchlesen kann. Es führt dich durch jeden spezifischen Teil der Familienandacht. Es gibt dir fünf bis zehn verschiedene praktische Anleitungen, wie du jeden Teil durchführen kannst, und einiges davon sind nur meine eigenen Vorschläge, die ich nicht mit Gottes Wort gleichsetzen möchte, sondern die dir einfach nur helfen sollen, es auf eine erbauliche Weise zu tun.

Und dann begann ich, wenn ich ein Thema zur Auswahl hatte und in verschiedene Länder reiste, oft über dieses Thema zu sprechen. Und so hatte ich auch ein ganz besonderes Erlebnis, als ich auf der Konferenz von John Piper, etwa 10 Jahre später, vor 1800 Predigern über Familienandachten sprach. John Piper hatte mir sogar einen Brief geschrieben und gesagt: »Ich habe dich über Familienandachten sprechen hören, und ich möchte, dass du das Gleiche vor den Predigern sagst, denn selbst die Prediger tun es nicht. Ich möchte, dass du sie davon überzeugst, ihre Gemeinden dazu zu bewegen, dies zu tun.«

Und ich kann ohne Bedenken sagen, dass Gott den Vortrag, den ich auf dieser Konferenz gehalten habe, mehr genutzt hat als alles andere, was ich jemals in meinem Leben getan habe. Wir hatten dort 500 Exemplare dieses Buches. Und nachdem ich gesprochen hatte, waren sie alle weg, innerhalb von 20 Minuten. Die Leute griffen nach 2, 3, 4 Exemplaren, auch für ihre Mitarbeiter, die nicht da waren. Und es war, es war unglaublich. Und viele von ihnen weinten während des Vortrags. Ich habe in meinem Leben noch nie etwas getan, wofür ich danach auch nur annähernd so viele Briefe bekommen habe. Aber das Ermutigende daran war, dass es nicht einfach nur Briefe waren. Es waren Briefe von Leuten, die schrieben: »Ich bin deinem Leitfaden gefolgt. Und die Zeit meiner Familienandacht wurde verwandelt. Ich wusste nicht, was mir bisher entgangen war, ich wusste es einfach nicht.«

Das hat mich wiederum dazu ermutigt, mehr und mehr darüber zu sprechen. Jetzt weiß ich nicht mehr, wie oft ich schon auf verschiedenen Konferenzen darüber gesprochen habe, aber weit über 150 bis 200 Mal. Ich fühle mich dazu berufen, an vielen Orten auf der ganzen Welt darüber zu sprechen, denn es ist ein großer Segen für die Familien, und die Familien begreifen meist gar nicht, wie wertvoll es ist.

Und weißt du, selbst wenn du deine Kinder über geschlechtliche Vorgänge aufklärst, wenn sie 10 oder 11 Jahre alt sind oder so, willst du darin ihre weltlichen Freunde übertreffen. Und du willst der Erste sein, der es ihnen auf eine reine Art und Weise erzählt. Ich war ein bisschen nervös, als ich das erste Mal mit meinem Sohn darüber sprach; aber er war nicht nervös, denn, nun ja, es ist Familienandacht. Wir sprechen über die intimsten Erfahrungen in der Familienandacht.

Wenn sie auf einen Vers stoßen, der für mich besonders kostbar ist, erzähle ich ihnen, in welchem Zustand ich mich damals befand, wie der Herr diesen Vers mit Vollmacht zu mir gesprochen hat und was für tiefgreifende, geistliche Erfahrungen ich gemacht habe. Meine Kinder wissen das. Wenn ich also über intime körperliche Erfahrungen sprach, war das für meinen Sohn ein kleineres Problem oder von geringerer Intensität. Also sagte ich zu ihm am Ende meiner Ausführungen, nachdem ich ihn aufgeklärt hatte: »Also, wenn du noch weitere Fragen hast, kannst du jederzeit zu mir kommen.« Und er antwortete: »Kein Problem. Was gibt’s zum Abendessen?« Weißt du, es war ganz einfach, aber ich hatte vorher gedacht, es würde schwierig werden; doch ich dachte später noch einmal darüber nach. Warum war es eigentlich so einfach? Wegen der Familienandacht.

Und dann denk mal darüber nach: Wie viele Kinder neigen dazu, sich vor ihren Eltern zu verschließen, wenn sie ins Teenageralter kommen. Weil du mit deinen Kindern nur über alltägliche Dinge sprichst und nicht wirklich über Herzensangelegenheiten. Aber wenn du jeden Tag fleißig Familienandachten hältst, sprichst du mit ihnen über Herzensangelegenheiten. Du bist sehr offen. Du bist verletzlich. Du bekennst deinen Kindern in angemessener Weise einige deiner Sünden. So werden sie dich nicht einfach abweisen, wenn sie 13 oder 14 Jahre alt sind, weil sie es gewohnt sind, mit dir über alles zu reden. Also setzt du den Dialog einfach fort. Ich sage also, dass die Familienandacht wie ein Sparkonto für die kommenden Jahre ist. Auch für die Teenagerjahre. Und sie hilft dir in jedem Bereich des Familienlebens.

»Eine Familie, die nicht jeden Tag zusammen betet, ist wie ein Haus ohne Dach, das allen Stürmen des Himmels ausgesetzt ist.«
– Thomas Brooks

TB: Aber es gibt viele Familien, die das sehen oder hören werden – ich weiß, dass man viele dieser Vorträge, die du gehalten hast, online oder auf YouTube finden kann, was ja großartig ist –, aber weißt du, einige Eltern werden das hören, deren Kinder schon 16 bis 17 Jahre alt sind und kurz davor stehen, für immer von zu Hause wegzuziehen. Sie hatten das alles noch nicht kennengelernt. Vielleicht sind sie gerade erst zum Glauben gekommen, und sie werden sich fragen: »Warum habe ich nicht schon damit begonnen, als sie drei Jahre alt waren?!«

JB: Stimmt, ja. Und darauf habe ich in einigen meiner Vorträge geantwortet. Ich versuche, das anzusprechen, weil ich mir dessen bewusst bin. Und ich sage den Eltern: »Lasst euch nicht entmutigen. Gott will ›die Jahre zurückerstatten, welche die Heuschrecken … verzehrt haben‹ (Joel 2,25).« Das ist einer meiner Lieblingstexte, um diese Frage zu beantworten. Was also geschieht, ist, dass ihr einfach nach Hause gehen, eure Kinder um euch versammeln und sagen müsst: »Kinder, ich muss euch etwas bekennen. Ich hatte es nicht besser gewusst. Ich hatte keine Ahnung. Ich habe heute einen Vortrag über die Familienandacht gehört – oder gestern, wie auch immer –, und ich wusste vorher nicht, dass ich das tun sollte.« Oder vielleicht musst du sagen: »Ich wusste zwar, dass ich es tun sollte, aber ich habe es versäumt.« Aber so oder so, du bekennst deine Schuld gegenüber deinen Kindern. Und dann sagst du zu ihnen: »Bitte helft eurem Papa, damit anzufangen!«

Ich gehe auf eine sehr einfache Art und Weise vor. Du beginnst damit, dass du nur ein oder zwei Minuten sprichst. Ihr könnt es dann auf 5 bis 10 Minuten ausdehnen, aber jeden Tag sprichst du mit den Kindern ein wenig über den Herrn. Und dann benutzt du den »Leitfaden für Familienandachten«. Und wenn der 16-Jährige sagt, dass er nicht mitmachen will, sagst du: »Mein Sohn, bitte, bitte, bitte mach mit! Es liegt mir sehr am Herzen, und ich habe die Zeit bisher vernachlässigt, und ich möchte sie nachholen.« Und wenn er dann immer noch murrt, sagst du: »Mein Sohn, du lebst unter unserem Dach. Und du bekommst jeden Tag körperliche Nahrung von deiner Mutter und mir. Und wir fühlen uns dazu berufen, dir auch geistliche Nahrung zu geben.« Und wenn er dann immer noch widerspricht, sagst du einfach: »Es tut mir leid, aber du wirst mitmachen. Du gehörst zu diesem Haus, und das ist meine Berufung. Und so ist es auch deine Berufung, dich uns anzuschließen und geistliche Nahrung zu empfangen.«

TB: So ernst ist die Sache also.

JB: Ja.

TB: Weil ich gerade daran denke, dass ich gehört habe – und wir beide haben vorhin schon darüber gesprochen –, dass die Puritaner in einigen Fällen tatsächlich Gemeindezucht verhängt haben, wenn eine Familie keine Familienandachten abhielt, stimmt das?

JB: Ja, in bestimmten Gemeinden. Ich glaube nicht, dass es die Mehrheit der Gemeinden war. In den meisten Gemeinden kamen die Ältesten vorbei und besuchten die Familien. In den niederländischen Kreisen geschah das oft einmal im Jahr. Sie nannten es »huisbezoek«, »Hausbesuch«, oder wir würden sagen: »Familienbesuch«. Einmal im Jahr kamen ein Ältester und ein Prediger oder zwei Älteste vorbei, um dich zu sehen und zu fragen, wie es in deiner Familie geistlich läuft. Sie sprachen mit jedem Familienmitglied und fragten es, wie es seiner Seele unter dem verkündigten Wort geht und ob es seine tägliche Andacht hält. Und dann schauten sie dich an und fragten: »Und wie läuft die Familienandacht bei euch?« Und wenn du dann sagtest: »O, ich muss bekennen, dass ich es nicht mache.« Dann würde man dich liebevoll ermahnen.

Und dann würden sie sagen: »Nun, wir kommen nächstes Jahr wieder vorbei. Und wenn ihr es nicht macht, müssen wir euch ernsthaft verwarnen.« Einige Gemeinden haben inzwischen damit aufgehört. Ich glaube sogar, die meisten von ihnen. Aber es gab auch Gemeinden, bei denen die Ältesten sagten: »Wenn wir nächstes Jahr wiederkommen und ihr immer noch keine Familienandachten abhaltet, werden wir euch unter die sogenannte ›stille Zensur‹ stellen, weil ihr in eurer Hauptaufgabe, der Vaterschaft, versagt.« Sie würden dich zwar nicht gleich exkommunizieren, aber sie würden eine »stille Zensur« verhängen, was bedeutet, dass dir der Gebrauch der Sakramente untersagt wird. Du konntest also nicht am Mahl des Herrn teilnehmen. Das war zwar nicht üblich, aber es gab das.

Aber du siehst den Grund dafür. Die Puritaner waren sehr stark auf Bündnisse ausgerichtet. In ihrer Theologie ging es nicht nur um einen Bund der Werke, einen Bund der Erlösung und einen Bund der Gnade. Sie glaubten, dass auch die Ehe ein Bund ist. Maleachi 2,14, wo es um die Ehe geht und die Frau bezeichnet wird als: »… deine Gefährtin und die Frau deines Bundes«. Und sie glaubten auch, dass du bei der Bekehrung einen alle Lebensbereiche umfassenden Bund mit Gott schließt, der sich gleichermaßen mit dir verbündet hat. Und als Teil dieses Bundeskonzepts hast du oft ein Bündnis unterschrieben, wenn du einer Gemeinde beigetreten bist, dass du deine Kinder in der Furcht des Herrn erziehst und die Familienandacht hältst. Das war ein Teil des Bündnisses, das du unterschrieben hast. Du wusstest also, dass es deine Verantwortlichkeit war.

TB: Ist also die Familienandacht ein Sakrament?

JB: Nein, natürlich nicht. Nein, das ist kein Sakrament.

TB: Nun, die letzte Frage, die ich an dich habe, ist diese. Wenn Familien in der gesamten christlichen Landschaft damit anfangen würden, was wäre wohl das Resultat? Auf familiärer Ebene, auf nationaler Ebene, ja sogar auf globaler Ebene –

JB: Wow!

TB: Und was würde dann geschehen? Wir wissen, dass es eine gute Sache ist, aber warum? Was passiert, wenn wir uns dazu verpflichten und es konsequent ausführen?

JB: Nun, es gibt davon eine Menge Vorteile, aber weißt du, was das Endergebnis wäre … Ich kann es nicht sagen. Würde der Herr eine weltweite Erweckung herbeiführen? Du weißt, dass nur der Herr das weiß, denn Er ist souverän und gnädig. Und es würde mich nicht überraschen, wenn das passieren würde. Wenn die Familien ernsthaft … Ich meine, es geht nicht nur darum, dass sie ihre Pflichten erfüllen, sondern ich meine, wenn Familien auf der ganzen Welt, christliche Familien auf der ganzen Welt, wirklich jeden Tag Familienandachten halten würden, so wie Mose sagte, dass ihr zu euren Kindern reden sollt, fleißig und voller Eifer – wow –, die Welt würde sicherlich anders aussehen. Es gäbe viel mehr Gottesfurcht in der Öffentlichkeit. Es gäbe viel mehr mutige Christen, die für das Richtige einstehen. Es gäbe viel mehr echte Frömmigkeit.

Es gäbe viel mehr Gespräche unter dem Volk Gottes, in denen es um die Wege Gottes geht. Es gäbe viele solcher Dinge, aber auch noch andere Vorteile. Ich habe schon ein paar davon erwähnt, zum Beispiel die Freiheit, mit deinen Kindern über alles zu reden, um sie auf das Erwachsensein vorzubereiten, und dass Kinder lernen, wie man die Familienandacht hält, indem sie ihren Eltern zuschauen. Und so geben sie von Anfang an, wenn sie heiraten, einen geistlichen Ton für ihr Familienleben an. Als Elternteil hast du dann ein ruhiges Gewissen. Ich meine, ich habe als Elternteil in so vielen Dingen versagt. Wenn du daran denkst, wie viele Fehler du gemacht hast, schämst du dich, und das sogar bei den Familienandachten; aber trotzdem hast du ein ruhiges Gewissen, wenn du deine Kinder mit der Familienandacht erzogen hast – denn du willst ihnen ein Vermächtnis hinterlassen, das man am besten durch die Familienandacht hinterlässt.

Eines meiner Kinder war bei einer Missionsreise dabei, und ein Mann war ein bisschen neugierig meinem Kind gegenüber und fragte den Jungen, wie es denn so sei, mit mir als seinem Vater, als Pastor, zu leben. Mein Sohn empfand die Frage als ein bisschen zu neugierig. Also wich er aus, aber der Mann bohrte dreimal weiter, und schließlich schaute mein Sohn ihn an und sagte: »Wenn du die Wahrheit wissen willst, mein Vater hat seine Fehler und Schwächen, aber ich weiß, dass er den Herrn Jesus Christus liebt. Denn ich kann es spüren. Besonders in der Familienandacht.« Und der Mann, der die Untersuchung durchgeführt hatte, kam zu mir zurück und gestand mir seine Schuld, weil er versucht hatte … Er erzählte mir diese Geschichte. Mein Sohn hat mir das nicht erzählt, aber dieser Mann hat mir berichtet, dass es das ist, was mein Sohn geantwortet hatte.

JB: Und das hat mich gebrochen. Es hat mich gebrochen, ich habe sogar geweint, weil ich das Gefühl hatte, dass ich in jedem Bereich zu kurz gekommen sei, auch in der Familienandacht. Deshalb möchte ich jedem, der das hört, ein Wort der Ermutigung mit auf den Weg geben: Mach daraus keinen Berg, der über das hinausgeht, was du tun musst – nimm es ernst, setze es demütig und schlicht um, bete um Segen dafür, aber tu es einfach. Du kannst es. Und ja, es wird mit Unzulänglichkeiten verbunden sein. Meine Frau und ich gehen auf die Knie – natürlich sind unsere Kinder inzwischen alle aus dem Haus, aber ich weiß nicht, wie oft wir abends, wenn wir ins Bett gehen, auf diese Weise beten – wir gehen gemeinsam auf die Knie. Sie betet an einem Abend, ich bete am nächsten Abend, und wir sagen: »O Herr, bitte segne heute unsere schwachen Bemühungen in den Familienandachten, für das ewige Wohlergehen unserer Kinder!«

Und weißt du, Gott hat eine Möglichkeit, das, was wir tun, zu übertreffen. Er segnet es. Er vermag »weit über die Maßen mehr zu tun …, als wir bitten oder verstehen« (Eph. 3,20). Und was für ein Segen ist es dann, wenn die Kinder das Haus verlassen und weiterhin auf den Wegen des Herrn wandeln! Und du kannst deine Frau dann anschauen und sagen: »Weißt du was? Unsere Kinder haben sich besser entwickelt, als wir sie erzogen haben. Ich meine, der Herr ist doch gnädig, oder?« Und natürlich gibt es in Gottes souveräner, tiefgründiger Art und Weise manchmal ein Kind hier oder ein Kind dort, das nicht errettet wird, und das ist ein Kreuz, das die Eltern auf dem Boden des Gebets hält. Aber ich würde sagen, selbst dann solltest du weiterhin um Seinen Bund der Gnade flehen.

Ich hatte eine Nichte, die vor etwa 10 Jahren errettet wurde, und sie sagte: »Als ich errettet wurde, kamen all die Familienandachten und Gottesdienste und all die Belehrungen, die meine Eltern mir gegeben hatten, wie eine Flut zu mir zurück, weißt du, und plötzlich konnte ich das alles erfassen!« Wer kann das schon sagen? Gott ist ein treuer, ein bundestreuer Gott. Bete weiter, bitte Ihn um Vergebung, beginne mit der Familienandacht und hoffe auf Seinen Segen. Es hängt alles von Ihm ab, und Er ist gnädig; aber du nutzt die Mittel und tust das, wozu du berufen bist – demütig, schlicht und treu –, und überlässt den Segen Gott.

TB: Vielen Dank dafür, Joel!

JB: Ich danke dir.

Zuvor erschienen im »The Heritage Blog« von Reformation Heritage Books.

Blog

Das Joel-Beeke-Interview über die Familienandacht

von Elli Ertner Lesezeit: 38 min