Bibelstelle: Daniel 9,1-19
Wenn Gott ein souveräner Gott ist, warum sollten wir dann beten? Mit anderen Worten: Wenn Gott alles im Voraus geplant hat und schon weiß, was Er morgen und übermorgen tun wird – was bringt es dann, auf die Knie zu gehen und um etwas zu bitten? Verschwenden wir nicht unsere Zeit damit, Gott anzuflehen, wenn der Ausgang des Geschehens bereits feststeht?
Natürlich müssen wir zugeben, dass wir zu bestimmten Zeiten kaum ohne Gebet auskommen können. Man sagt, dass es in den Schützengräben keine Atheisten gibt, und die meisten von uns wissen aus eigener Erfahrung: Wenn das Leben besonders schwer wird, werden wir mit größerer Wahrscheinlichkeit mehr auf den Knien liegen als sonst.
Wenn die Sonne scheint, denken wir vielleicht, dass es genüge, wenn wir einfach nur zu den Mahlzeiten ein kurzes Dankgebet für das Essen vor uns hinmurmeln. Aber in dunklen Zeiten schreien unsere Seelen ernsthaft nach Gott. Wir müssen es zusammen mit unseren Kindern lernen, dass unsere Gebete – selbst am Tisch – ernsthafte Gebete zu sein haben, nicht bloß ein auswendig gelerntes Kindergebet.
Doch unsere Frage, die viele Menschen beschäftigt, ist die folgende: Wenn Gott ein souveräner Gott ist, warum sollten wir dann überhaupt beten?
Dass wir beten sollen, ist uns aus der Schrift und von unserem eigenen Herzen her klar. Doch den Zusammenhang zwischen der Souveränität Gottes und dem Gebet sollten wir nicht in Frage stellen. Vielmehr besteht unser Problem darin, Gottes Souveränität zu begreifen. Es ist für uns notwendig, zu beten; aber können wir wirklich so intensiv beten, wie wir sollten, wenn wir glauben, dass Gott alle Dinge nach Seinem Ratschluss lenkt? Und in welcher Weise sollten wir beten, wenn wir uns in dunklen Zeiten befinden? Das sind Fragen, bei denen uns Daniel 9 weiterhelfen wird.
Das Gebet und das Wort Gottes
Als Erstes fällt uns in unserem Bibeltext auf, dass Daniel durch das Lesen von Gottes Wort zum Beten angeregt wurde. Daniel hatte die Worte des Propheten Jeremia gelesen – Worte »in den Schriften«, die er als »das Wort des HERRN an den Propheten Jeremia« (Dan. 9,2) bezeichnete.
Hier sehen wir, wie Daniel die Inspiration und Autorität der Worte eines Propheten kaum mehr als eine Generation nach ihrer Entstehung als Teil eines breiteren Kanons inspirierter Schriften anerkennt, nämlich der Heiligen Schrift.
Damit gibt Daniel uns ein Vorbild für die Haltung, die wir seinen eigenen Visionen gegenüber haben sollten: Es sind die inspirierten »Schriften«, das geschriebene Wort des HERRN, das durch Seine Propheten gegeben wurde und das studiert, erforscht und als lebendiges Wunder Gottes angesehen werden sollte.
Es handelt sich hierbei nicht einfach nur um einen interessanten und informativen alten Text oder eine Quelle verschiedener Informationen über die Kultur und den Glauben der Menschen in der Vergangenheit. Wir haben hier das lebendige Wort Gottes vor uns, die einzige maßgebliche und unfehlbare Richtschnur für unseren Glauben, unser Leben und unsere Lehre.
Als Daniel die »Schriften« des Buches Jeremia las, fand er darin einen Hinweis darauf, dass die Verwüstung Jerusalems siebzig Jahre dauern würde. Die Stellen, über die er nachdachte, waren wahrscheinlich Jeremia 25,11-12 und Jeremia 29,10:
»Dieses ganze Land soll zu Trümmerhaufen, zur Wüste werden, und diese Völker sollen dem König von Babel dienen, 70 Jahre lang. Und es wird geschehen, wenn die 70 Jahre vollendet sind, dann will Ich an dem König von Babel und an jenem Volk ihre Schuld heimsuchen, spricht der HERR, auch am Land der Chaldäer, und Ich will es zur ewigen Wüste machen« (Jer. 25,11-12).
»Fürwahr, so spricht der HERR: Wenn die 70 Jahre für Babel gänzlich erfüllt sind, werde Ich Mich euer annehmen und Mein gutes Wort, euch an diesen Ort zurückzubringen, an euch erfüllen« (Jer. 29,10).
Mit diesen prophetischen Worten verkündete Jeremia, dass der Plan des Herrn darin bestand, dass Sein Volk wegen seiner Sünde 70 Jahre lang als Sklaven in Babylon dienen müsse; aber am Ende dieser Zeit würde Gott die Babylonier richten und Seinem Volk Hoffnung geben.
Was Daniels Interesse an dieser Prophezeiung auslöste, war wahrscheinlich der schon geschehene Sturz des babylonischen Reiches durch die Meder und Perser und der Tod des Königs Belsazar durch die Hand des neuen Herrschers Darius. Offensichtlich hatte Gott nun das Gericht an dem König von Babylon und an seinem Volk schon vollzogen, wie Er es verheißen hatte. Daher begann Daniel, obwohl noch nicht ganz siebzig Jahre seit der Zerstörung Judas vergangen waren, mit größerer Intensität für die vollständige Erfüllung der Prophezeiung zu beten. Er betete um die gnädige Wiederherstellung von Gottes Volk in seinem Land.
Mit Sicherheit betete Daniel zu jener Zeit nicht zum ersten Mal; wie wir in Daniel 6 sehen, war er es von Anfang an gewohnt, regelmäßig dreimal täglich in Richtung Jerusalem zu beten. Und diese Gewohnheit war geprägt von seinem Lesen der Heiligen Schrift. Doch als Daniel nun sah, dass Gottes Verheißungen sich zu erfüllen begannen, steigerte er die Dringlichkeit seines Gebetes und flehte um Gottes Barmherzigkeit und Gnade, damit Sein Volk die endgültige Erfüllung der Verheißung wirklich erleben könne.
Diese erhöhte Gebetsintensität zeigte sich in Daniels Entscheidung, zu fasten und in Sack und Asche zu beten. Dies sind Zeichen intensiver Trauer und Reue über die Sünde seines Volkes. Es ist bemerkenswert, dass Daniel gerade durch seinen Glauben an Gottes Souveränität zum inständigen Gebet motiviert wurde. Diese Tatsache ist der Frage genau entgegengesetzt, mit der wir begonnen haben. Auf die Frage: »Wenn Gott ein souveräner Gott ist, warum sollten wir dann beten?«, hätte Daniel geantwortet: »Eben deshalb, weil Gott ein souveräner Gott ist, bete ich.«
Daniel las in der Heiligen Schrift von dem Plan Gottes, Babylon zu richten und Sein Volk wiederherzustellen. Gerade zu dem Zeitpunkt, als er sah, dass dieser souveräne Plan nun in die Tat umgesetzt wurde, erhob er seine Stimme zum Gebet. Daniel wurde nicht etwa durch einen Zweifel an der Erfüllung der Prophezeiung über die siebzig Jahre zum Beten motiviert. Vielmehr betete er, weil er darauf vertraute, dass sein souveräner Gott genau das erfüllen würde, was Er verheißen hatte.
Dies ist eine wichtige Lektion für uns als Gläubige. Die meisten von uns nehmen sich wahrscheinlich Zeit zum Beten, wissen aber oft nicht, wofür sie genau beten sollen. Selbst inmitten von Prüfungen und Schwierigkeiten wissen wir manchmal kaum, wie wir beten sollen. Darum sollten wir uns ein Beispiel an Daniel nehmen und die Schrift durchforschen, damit wir für die Erfüllung der Dinge beten können, die Gott klar verheißen hat.
- Zum Beispiel hat Gott versprochen, das gute Werk zu vollenden, das Er in uns begonnen hat (Phil. 1,6). So kann ich inmitten meiner Prüfungen darum beten, dass Gott sie dazu nutzt, Sein Werk in meinem Herzen und Leben fortzusetzen, mich zu demütigen, meinen Stolz zu brechen und mir zu zeigen, wie verzweifelt ich den Herrn in meiner Schwachheit und Sündhaftigkeit brauche.
- Gott hat versprochen, mir einen Frieden zu geben, der den Frieden, den diese Welt gibt, übersteigt (Joh. 14,27; Phil. 4,7). Daher kann ich in meiner Verunsicherung und inneren Zerrissenheit den Herrn bitten, mir den Frieden zu schenken, den nur Er allein geben kann.
- Der Herr hat mir versprochen, mein Hirte zu sein und mit mir durch das Tal des Todesschattens zu gehen (Ps. 23). Deshalb kann ich beten, dass Er über meine Seele wacht und meine Hand in der dunkelsten Stunde der Nacht hält.
- Gott hat versprochen, einen neuen Himmel und eine neue Erde herbeizuführen, wo Er die Tränen von jedem Auge der Gläubigen abwischen wird (Offb. 21,1-4). Deshalb kann ich dafür beten, dass der Tag schnell kommt, an dem die gegenwärtige Welt durch diesen herrlichen Ort der Zuflucht und Freude ersetzt wird.
- Zum Beispiel hat Gott versprochen, das gute Werk zu vollenden, das Er in uns begonnen hat (Phil. 1,6). So kann ich inmitten meiner Prüfungen darum beten, dass Gott sie dazu nutzt, Sein Werk in meinem Herzen und Leben fortzusetzen, mich zu demütigen, meinen Stolz zu brechen und mir zu zeigen, wie verzweifelt ich den Herrn in meiner Schwachheit und Sündhaftigkeit brauche.
- Gott hat versprochen, mir einen Frieden zu geben, der den Frieden, den diese Welt gibt, übersteigt (Joh. 14,27; Phil. 4,7). Daher kann ich in meiner Verunsicherung und inneren Zerrissenheit den Herrn bitten, mir den Frieden zu schenken, den nur Er allein geben kann.
- Der Herr hat mir versprochen, mein Hirte zu sein und mit mir durch das Tal des Todesschattens zu gehen (Ps. 23). Deshalb kann ich beten, dass Er über meine Seele wacht und meine Hand in der dunkelsten Stunde der Nacht hält.
- Gott hat versprochen, einen neuen Himmel und eine neue Erde herbeizuführen, wo Er die Tränen von jedem Auge der Gläubigen abwischen wird (Offb. 21,1-4). Deshalb kann ich dafür beten, dass der Tag schnell kommt, an dem die gegenwärtige Welt durch diesen herrlichen Ort der Zuflucht und Freude ersetzt wird.
Daniel flehte darum, dass Gott tun möge, was Er verheißen hatte; gerade deshalb betete er vertrauensvoll, weil er für das betete, was Gott verheißen hatte.
Das Gebet und das Reich Gottes
Daniel suchte im Gebet nicht nur seinen eigenen Trost und Schutz in der Dunkelheit. Sein Anliegen war es, für Gottes Volk und Gottes Reich zu beten. Es ist richtig und passend, dass wir in dunklen Zeiten unsere persönlichen Anliegen vor den Herrn bringen; aber wir sollten uns nicht so sehr mit unseren eigenen Leiden befassen, dass wir dabei die Bedürfnisse des Volkes Gottes vergessen.
Es ist richtig, dass wir beten: »Gib uns heute unser tägliches Brot.« Aber wir müssen auch daran denken, zu beten: »Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf Erden.« Auch wenn Daniel im ersten Jahr des Darius zweifellos viele eigene Sorgen und Bedenken hatte (siehe Dan. 6), waren die Belange des Reiches Gottes sein zentrales Anliegen in seinem Gebet in Daniel 9: dass Gott das tun möge, was Er in Bezug auf Sein eigenes Volk verheißen hatte.
In dieser Aufgabe, für sein Volk Fürsprache zu halten, erfüllte Daniel seine Berufung als Prophet. Wir sehen oft Fürbitte vor allem als eine priesterliche Aufgabe an, und sicherlich haben die Priester im Alten Testament Fürbitte geleistet; aber sie war vor allem ein zentraler Teil des Dienstes der Propheten. Sie brachten nicht nur Gottes Wort zu den Menschen, sondern sie brachten in ihrer Fürbitte auch die Antwort der Menschen zu Gott. So wird in 1. Mose 20,7 deutlich, dass Abraham ein Prophet war, was ihn dazu qualifizierte, für Abimelech Fürsprache zu halten.
Wir, die wir in der Zeit des Neuen Testaments leben, gehören durch die Ausgießung des Geistes über das gesamte Volk Gottes zum Priester- und Prophetentum aller Gläubigen: Wir haben nun als Botschafter Christi Anteil an der Aufgabe, Seine Botschaft, die Leben und Tod bewirkt, in die Welt um uns herum zu bringen (2.Kor. 2,15-16; 5,20). Wir haben daher alle die Pflicht und das Vorrecht, für Gottes Volk und Sein Königreich vor Ort und in der Welt Fürsprache zu halten und unsere Stimme für die Bedürfnisse der Gemeinde und der ganzen Welt vor dem Thron der Gnade zu erheben.